Mein Weg
Ein chronischer Schmerz kommt selten von heute auf morgen. Bei mir war es eher ein schleichender Prozess von „Ich hab manchmal Kopfschmerzen“ bis hin zu „Ich habe ein Kopfschmerz-Problem“. Auch die Migräne hatte ich schon über viele Jahre, aber netterweise selten, bevor sie sich so verkompliziert hat, dass es mich unerträglich stark eingeschränkt hat.
Am Anfang selten…
Ich kann mich an vier Vorfälle aus meiner Kindheit erinnern, der erste in der Grundschule, der letzte mit ungefähr 12 Jahren, von denen ich heute sagen würde, dass es sich wahrscheinlich um Migräne-Attacken gehandelt hat. Jedes Mal hatte ich relativ plötzlich so starke Kopfschmerzen, dass ich mich hinlegen musste und nichts mehr ging, bis ich eingeschlafen war. Einmal habe ich auch ein Schmerzmittel genommen.
Meistens war ich bei Freundinnen zu Besuch oder Freundinnen waren bei mir, während ich diese Anfälle hatte. Vielleicht kann ich mich aber auch nur an genau diese Anfälle erinnern, weil sich mir die Reaktion der Anderen darauf eingeprägt hat. Es liegt in der Natur der Sache, dass man den Schmerz selber recht schnell vergisst, sich aber die Folgen davon gut merken kann. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie die Mutter einer Freundin mir eine Junior-Aspirin gab, weil ich es gar nicht mehr ausgehalten habe. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass es eine Kinder-Version von Erwachsenen Tabletten überhaupt gibt. Ein anderes Mal war eine Freundin bei mir zu Besuch und es ging mir so schlecht, dass wir das Zimmer verdunkelt haben und ein Hörspiel zur Ablenkung anmachten. Ich habe heute noch genau die Worte meiner lieben Freundin im Ohr, die mich nach der richtigen Lautstärke fragte, damit das Hörspiel nicht zu laut war, aber auch nicht zu leise, damit das Hören mich nicht zusätzlich anstrengen würde. Tatsächlich sind genau diese „Kleinigkeiten“ total wichtig, wenn es einem schlecht geht.
Das ist eine Sache, die sich glücklicherweise durch meine ganze „Schmerz-Laufbahn“ zieht. Ich hatte in der Mehrheit verständnisvolle Menschen um mich herum, die Rücksicht genommen und versucht haben, mir zu helfen. Ich weiß sehr wohl, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.
Noch gut auszuhalten: Schule und Ausbildung
Danach muss ich für ein paar Jahre Ruhe gehabt haben. Als nächstes erinnere ich mich erst wieder daran, in der Oberstufe des Gymnasiums öfter mal wegen Kopfschmerzen gefehlt zu haben, ohne mir groß Gedanken darüber gemacht zu haben. Ich habe es immer so empfunden, dass jeder so seine Schwachstelle hat. Manche Freunde von mir bekamen Bauchschmerzen, wenn sie sich nicht wohl gefühlt haben und ich bekam eben schneller Kopfschmerzen.
Obwohl ich mich an der Universität und mit meinem Studium nicht sehr wohl gefühlt habe und auch insgesamt in dieser Zeit eher nicht so glücklich war, kann ich mich nicht an eine ausgeprägte Kopfschmerzphase erinnern. Nach einem Praktikum machte ich eine Ausbildung in einer Multimedia-Agentur. In dieser Zeit habe ich sehr viel gearbeitet, teilweise auch die Nächte durch. Aber ich hatte endlich das Gefühl, dass es beruflich und persönlich für mich in die richtige Richtung ging, so dass es mir gar nichts ausmachte. Ich fand es im Gegenteil sehr aufregend und stürzte mich in die Arbeit. Ich versuchte mir Kaffee als Wachmacher anzugewöhnen, obwohl ich den vorher nie gemocht hatte. Ich habe ziemlich wenig gegessen, weil ich kein Bedürfnis danach hatte, viel geraucht und ich bin trotz der vielen Arbeit oft ausgegangen. So erscheint es mir nicht allzu ungewöhnlich, dass ich ab und an Kopfschmerzen hatte. Ich nahm dann schnell eine Kopfschmerztablette und machte weiter. An Migräne-Anfälle kann ich mich aus dieser Zeit gar nicht erinnern. Wie oft ich pro Woche Kopfschmerzen hatte oder wie oft ich Tabletten genommen habe, weiß ich nicht mehr. Es gab zwar immer mal wieder Momente, in denen ich mir darüber kurz Gedanken gemacht habe, aber es gab nie einen wirklichen Leidensdruck.
Jetz wird’s kritisch – auf der Arbeit
Problematisch wurde es erst, als ich meinen ersten richtig echten Job hatte. Ich wurde bei einem größerem Unternehmen angestellt, deren Online-Department damals aus einer Person bestand. Dieser Kollege wollte für ein halbes Jahr ins Ausland gehen und ich sollte ihn in der Zeit vertreten. Wir waren verantwortlich für die viersprachige Website, die Bilddatenbank, Videoerstellung und Bearbeitung, Präsentationen der Geschäftsleitung, eigentlich alles, was man irgendwie unter dem Begriff „Multimedia“ sammeln könnte. Für mich war das eine ordentliche Herausforderung. Ich kannte bis dahin nur das familiäre Arbeiten in einer kleineren Agentur, mit sehr flexiblen Arbeitszeiten. Jetzt war ich in einer größeren Firma angestellt, mit Stempelkarte, Kantine, wöchentlichen Abteilungsmeetings, Hierarchie-Ebenen und internationalen Kollegen. Aber ich fand es aufregend und es machte mir Spass. Die Mitarbeiter standen alle sehr hinter ihrer Firma und waren extrem motiviert. Wenn ich es mit Geschichten aus anderen ähnlichen großen Unternehmen vergleiche, würde ich sagen, war bei uns Anspruch und Arbeitstempo recht hoch. In den zehn Jahren in denen ich bei dem Unternehmen aktiv war, hat sich sehr viel verändert und weiterentwickelt. Es war auf jeden Fall spannend und herausfordernd – so wie es eigentlich sein sollte. Trotzdem begannen mit dem Job für mich auch die Probleme mit dem Kopf schnell größer zu werden. Im Nachhinein ist es schwierig zu sagen, wie viel die Anstrengung auf der Arbeit zur Verschlimmerung meines Gesundheitszustands beigetragen hat. Vielleicht gar nicht so sehr wie man es vermutet, wenn man von Stress auf der Arbeit redet. Ich denke, es wäre in jedem Fall irgendwann eskaliert – nur eventuell etwas später.
Auf jeden Fall war es irgendwann so, dass ich täglich Kopfschmerzen hatte. Morgens waren es noch leichte Schmerzen, die aber im Laufe des Tages immer schlimmer wurden. Auf der Arbeit hielt ich es gerade noch so aus, aber abends zu Hause konnte ich fast nichts mehr erledigen. Ich fiel einfach nur noch aufs Sofa und mein lieber Freund (heute mein lieber Ehemann) hat mir etwas zu Essen gemacht und mir beim Schuheausziehen geholfen.
Kopfschmerztabletten halfen noch manchmal, immer öfter aber blieb die erhoffte Wirkung aus. Mittlerweile hatte ich auch zwischendurch ab und an Migräne, manchmal mit und manchmal ohne Aura. Es fiel mir oft schwer zu erkennen, welche Art von Schmerz es war. Somit wusste ich auch nicht, welches Medikament ich am besten nehmen solle. Man sagt mir, bei Migräne sei es wichtig, das Medikament der Wahl frühzeitig zu nehmen. Also habe ich in dieser Zeit der unidentifizierbaren Schmerzsuppe, bestimmt auch das ein oder andere Triptan umsonst eingeworfen.
Es wurde einfach immer nur schlimmer und schon bald konnte ich am am Wochenende nichts mehr machen. Ich hatte das Gefühl, alle meine Reserven auf der Arbeit aufzubrauchen. Dass auf der Arbeit meine Leistung immer mehr nachließ, habe ich erstaunlicherweise selber gar nicht so deutlich realisiert. Ich weiß es hört sich absurd an, aber ich war komplett davon beansprucht durchzuhalten und meinen „Soll“ zu leisten. Vor lauter Kopfschmerzen konnte ich sowieso nicht mehr klar über alles nachdenken. Natürlich merkten es aber die Anderen um mich herum und auch meine Fehlzeiten begannen sich zu häufen. Ich bin auch heute immer noch gerührt und dankbar für meinen tollen Kollegen und späteren Vorgesetzen, der mich in der ganzen Zeit immer großartig unterstützt hat. Er war auch der Erste, der mein Kopfschmerzproblem überhaupt als Thema auf den Tisch gebracht hat. Erstmal hat er Klartext geredet und gesagt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Aber er war auch wie immer nicht ohne Lösungsvorschlag und riet mir, längere Zeit am Stück Urlaub zu nehmen um mich in Ruhe und nicht nur so nebenbei um die Sache zu kümmern. Gleichzeitig hat er sich immer vor mich gestellt und unangenehme Fragen von Kollegen oder der Personalabteilung von mir ferngehalten.
Auf der Suche nach Heilung
Damit begann meine eigentliche Odyssee. Ich war natürlich auch schon vorher wegen meiner Kopfschmerzen bei Ärzten gewesen, hatte aber neben der Arbeit gar keine wirkliche Zeit und Kraft mehr gehabt, mich wirklich zu kümmern. Eigentlich hätte ich mich wahrscheinlich damals schon länger am Stück krankschreiben lassen müssen – allein schon damit ich überhaupt in der Lage gewesen wäre, Arzttermine wahrzunehmen. Aber auf diese Idee bin ich schlicht nicht gekommen.
Nun nahm ich mir also Urlaub, um mich von meinen Kopfschmerzen zu heilen. Ich machte Termine beim Neurologen, HNO und Augenarzt, war bei einer Heilpraktikerin und bei zwei Osteopathen. Die Schilddrüse wurde untersucht, ein MRT wurde gemacht, ich nahm an einer Akupunktur-Studie teil und ließ meine Zähne sanieren. Schliesslich fand ich sogar den Weg zu einem Schmerztherapeuten. Natürlich fand das nicht alles während meines Urlaubes statt. Die gesamten Behandlungen erstreckten sich bestimmt über mindestens ein Jahr, eher noch länger. Der Urlaub verschaffte mir nur eine Verschnaufspause und die Möglichkeit einen „Schlachtplan“ zu machen. Ich begann das Problem organisierter anzugehen, um der Reihe nach mögliche Ursache für meine Kopfschmerzen auszuschließen, bis endlich der „Übeltäter“ gefunden wäre. Zwischendurch sprach ich immer wieder bei meinem damaligen Hausarzt vor und bat um neue Ideen und Empfehlungen, wer mir noch helfen könnte. Immer wieder fühlte ich mich sehr alleingelassen. Mein Hausarzt hatte schon den guten Willen, mir zu helfen, schien aber zunehmend ratlos.
Im Rückblick ist mir klar, warum alle meine damaligen Versuche zum Scheitern verurteilt waren. Ich hätte mir viel Zeit und Leid und auch Geld ersparen können, wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß. Einen Teil des Weges, sage ich mir heute, musste ich vielleicht durchmachen, damit ich bereit war, meine Krankheit anzunehmen und mich dementsprechend zu verhalten. Aber ein gutes Stück davon, hätte ich mir besser ersparen können, wenn ich nur zu einem früheren Zeitpunkt, die richtige Hilfe bekommen hätte. Mehr noch, ich denke sogar, bestimmtes Wissen zur richtigen Zeit, hätte einen Teil der Probleme sogar komplett verhindern können.
Was ich damals nicht wusste, lässt sich schnell in zwei Punkten zusammenfassen.
Erstens: ich hatte den falschen Ansatz – es gab keine andere körperliche Ursache für meine Kopfschmerzen, die ich hätte finden können. Die Kopfschmerzen waren meine Krankheit.
Und zweitens: meine ursprünglichen Kopfschmerzen wurden komplett überlagert von einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz (gennant MÜK= Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz oder MOH= Medicine Overdose Headache), der dadurch entstanden war, dass ich zu häufig Kopfschmerztabletten genommen hatte. Alles, was mir eventuell bei den eigentlichen Kopfschmerzen geholfen hätte, konnte ohnehin keine Wirkung zeigen solange ich im MÜK steckte. Diese Art von Kopfschmerzen sind keine Seltenheit. Nahezu alle Patienten, die mit chronischen Kopfschmerzen oder Migräne in den Fachkliniken einchecken, haben wenn sie ankommen einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz. Das ist ein Riesenproblem, das eigentlich leicht vermieden werden könnte. Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, lest hier weiter.
Nicht immer schön beim Arzt
So ging ich also monatelang von Arzt zu Arzt immer wieder in der Hoffnung die Ursache meiner Kopfschmerzen zu finden. Das war eine schreckliche Zeit. Gesundheitlich ging es mir schlecht und mein Nervenkostüm konnte ich nur noch mühsam aufrecht erhalten. Die besten Arztbesuche waren noch die, wo der Arzt verständnisvoll war und mir auf nette Art und Weise gesagt hat, dass er mir nicht weiterhelfen können. Oft lief es aber eher so ab, dass ich skeptische Blicke erntete, von oben herab behandelt wurde oder sogar gerügt wurde, wenn ich mehrere Ärzte derselben Fachrichtung aufgesucht hatte oder zuviele Fragen stellte.
Einmal ging ich am Wochenende ins Krankenhaus, weil es mir so schlecht ging und ich nicht mehr weiterwusste. Ein junger Arzt stellte mir nur kurz ein zwei Fragen und verordnete mir dann eine kleine Dosis Paracetamol. Ich sagte ihm, dass ich das bereits eingenommen und es keine Wirkung gezeigt hatte. Daraufhin setzte er kurz entschlossen eine Lumbalpunktion an, ohne weitere Erklärung was das bedeutet. Glücklicherweise wusste ich es aber, nämlich ein Eingriff bei dem mit einer langen Nadel Nervenflüssigkeit aus den Rückenmarkskanal entnommen wird. Mein Bruder hatte als Kind zwei Lumbalpunktionen bekommen und die als sehr schmerzhaft empfunden. Darüber hinaus sind starke Kopfschmerzen eine häufige Folge des Eingriffs. Auf jeden Fall keine Prozedur, die man ohne guten Grund ansetzt. Also fragte ich den Arzt, was er sich von dem Eingriff versprach, welche Erkrankung er bei mir vermutete. Daraufhin wurde er sehr ungehalten. Er sagte kurz: „Meningitis eventuell“ und begann den Raum zu verlassen. Ich folgte ihm auf den Flur, bat ihn kurz anzuhalten und mir meine Fragen zu beantworten. Bis dahin hatte ich nur eine einzige Frage gestellt. Das komplette Gespräch hatte insgesamt ungefähr zwei Minuten gedauert, inklusive Anamnese. Ich würde also nicht sagen, dass ich die Zeit des Arztes bis dahin übermässig beansprucht hatte. So war ich ziemlich geschockt, als er mich daraufhin regelrecht anschrie, dass er noch andere Patienten hätte und sich wirklich nicht noch mehr um mich kümmern könnte.
Ich habe danach die Klinik sofort verlassen, die Lumbalpunktion habe ich nicht machen lassen. Ich wusste damals schon selber genug über Meningitis, um sagen zu können, dass meine Symptome zu dieser Erkrankung nicht passten.
Das war unter den schrecklichen Arzterfahrungen auf jeden Fall mein Highlight. Aber ich könnte noch viele weitere erzählen und Ihr sicherlich auch. Vielleicht mach ich daraus mal einen eigenen Beitrag…
Meine Rettung: die Schmerzklinik in Kiel
Aber keine Sorge, es wird nicht noch trauriger. Ab jetzt geht es langsam bergauf. Ich begann nämlich mit der Recherche nach Spezialkliniken für Kopfschmerzen und Migräne. Schmerzkliniken gab es damals bereits eine Handvoll. Die meisten schienen mir aber auf Schmerzen allgemein, besonders aber orthopädische Schmerzen: Rückenschmerzen, Bandscheibe oder rheumatische Beschwerden den Fokus zu legen. Ausnahme war die Schmerzklinik in Kiel, die verschiedene Kopfschmerzarten und Migräne vordergründig behandelt. Es hat dann noch ein paar Wochen gedauert, bis ich mich zum Handeln überwinden konnten. Natürlich wollte ich nicht freiwillig in eine Klinik gehen, die noch dazu auch nicht direkt bei mir um die Ecke lag. Aber der Leidensdruck war schliesslich so hoch, dass ich aktiv wurde. Ich ging zu meinem Hausarzt und bat ihn mich in die Schmerzklinik zu überweisen.
Ich kann mich nicht mehr an den genauen Ablauf erinnern, aber es ging alles relativ schnell und ohne größere Hindernisse. Ich weiss noch, dass man ein paar Voruntersuchungen absolvieren musste, zum Beispiel ein MRT, einen Besuch beim Neurologen und so weiter. Untersuchungen, die dazu dienen andere Primärerkrankungen auszuschließen. Die hatte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich schon hinter mir. Günstig war, dass ich mich immer von meinem Hausarzt zu den Fachärzten hatte überweisen lassen, so daß ihm sämtliche Berichte bereits vorlagen, die wir dann für die Schmerzklinik benötigten. Dann kann ich mich noch an ein sehr nettes Gespräch mit einer Dame meiner Krankenkasse erinnern. Ich hatte dort nachgefragt, ob die Kosten für die Schmerzklinik übernommen werden. Die sagte mir gleich, dass es da überhaupt keine Probleme geben würde und erzählte darüber hinaus, dass ihre Tochter gerade in Kiel gewesen war und wieviel besser es ihr jetzt gehen würde. Die Antwort aus Kiel kam dann auch ziemlich schnell: ich bekam einen Platz schon sechs Wochen später. Das war auch gut so, denn in der Zwischenzeit hatte sich meine Lage noch verschlechtert.
Ungefähr eine Woche nachdem wir die Unterlagen nach Kiel losgeschickt hatten, stellte ich fest, dass ich schwanger war. Das war eigentlich eine Freudennachricht, den wir hatten uns schon länger ein Kind gewünscht. Das war also kein Unfall, ganz im Gegenteil. Natürlich hatte ich mir schon Sorgen gemacht, wie ich das hinbekommen könnte, mit meinen Kopfschmerzen ein Kind zu versorgen, aber unser Kinderwunsch war so groß, dass er alle Bedenken übertrumpft hat. Allerdings – man ahnt es schon – ging es mir gesundheitlich gleich von Beginn der Schwangerschaft an noch schlechter. Ich hatte mit starker Übelkeit zu kämpfen, weiterhin nahezu dauerhaft Kopfschmerzen und die Migräne kam noch häufiger. Ab der 10. Schwangerschaftswoche war ich dauerhaft krankgeschrieben. Das war auch der der Zeitpunkt, zu dem ich in der Schmerzklinik ankam.
Die Zeit in Kiel war so wichtig, dass ich dafür auf jeden Fall noch einen separaten Beitrag schreiben werde. In Kürze möchte ich nur sagen, dass mir dort das erste Mal überhaupt deutlich geholfen wurde. Von dem Wissen, das ich dort erhalten habe, zehre ich noch heute. Vor allen Dingen wurde mir dort der Ansatz vermittelt, wie ich mit meiner Erkrankung (am liebsten möchte ich eigentlich sagen „Handicap“) am Besten umgehen und möglichst gut leben kann. Alles was ich danach noch zusätzlich gelernt habe, baut auf diese Zeit auf. Und auch wenn es mir seitdem kopfmässig nicht immer gut ging und ich nicht plötzlich alles „im Griff“ hatte, habe ich zumindest immer das Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein. Ich bin nicht mehr richtungslos auf der Suche nach einer Heilung, die so nicht passieren wird.
Mutter mit „Kopf“
Nach Kiel ging es mir also erstmal deutlich besser, zumindest was den Kopf betraf. Die Schwangerschaft war leider für mich nicht so lustig, denn die Übelkeit blieb mir erhalten und ich nahm auch fast jede andere unangenehme Begleiterscheinung mit. Aber ich konnte mich immer gut damit trösten, dass mein Baby zu keinem Zeitpunkt in Gefahr war und auch die längsten neun Monate gehen irgendwann vorbei.
Nach der Geburt, ging es mir relativ gut. Mein Kopf machte recht wenig Probleme und meine süße kleine Tochter war das unanstrengendste Baby, das man sich nur vorstellen kann. Ich weiß nicht, wie diese Zeit gelaufen wäre, wenn sie (wie ein normales Baby) öfter mal geschrien hätte oder die Nächte nicht gleich so ziemlich von Anfang an durchgeschlafen hätte. Das hätte mich sicher vor eine noch größere Herausforderung gestellt als ein „normale“ Mutter. Anscheinend hat mein Kind geahnt, dass ich nicht ganz so stabil war. Vielleicht haben wir auch davon profitiert, dass es bei uns gezwungenermaßen schon länger ruhiger und entschleunigter zuging, als bei anderen Familien. Wir hatten ja schon im Vorfeld relativ viele zusätzliche Belastungen ausschalten müssen, so dass bei uns kaum Stress aufkommen konnte. Ich denke, es ist ein Mix aus beidem: meine Tochter war von Natur aus ruhig und zufrieden und die Stimmung bei uns hat diesen Zustand erhalten.
Kopf in Teilzeit
Als meine Tochter ein Jahr alt war, habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Ich hatte für sie eine super Tagesmutter gefunden und war dadurch mit meinen Arbeitszeiten recht flexibel. Ich habe mich trotzdem von Beginn an auf der Arbeit mit Rücksicht auf mein Handicap eingerichtet. Es schien mir wichtiger weniger Tage pro Woche zu arbeiten und an denen dann lieber länger, als wenige Stunden auf möglichst viele Tage zu verteilen. Ich wusste, ich brauchte diese regelmäßigen Auszeiten zum Ausgleich und dieses Konzept hat sich lange bewährt. In Kiel hatte ich gelernt, dass ich mir öfter mal diese Fragen stellen muss „Schaffe ich das so auf Dauer? Ist das realistisch? Schlaucht mich das zu sehr?“
Denn meine Kopfschmerzen und die Migräne waren weiterhin da und Teil meines Lebens. Ich konnte und musste mich aber so einrichten, dass ich möglichst selten davon geplagt war. Dazu muss man sich aber öfter mal Dinge selber verbieten, die man eigentlich automatisch mitmacht, ohne sie zu hinterfragen. Gerade im Bezug auf meine Tochter habe ich schnell dazu gelernt. Es nützt meinem Kind nämlich nichts, wenn ich mich bei den falschen Sachen aufreibe und dann wenn es darauf ankommt mit Migräne in der Ecke liege.
Der Ansatz lässt sich aber auch auf die Arbeit übertragen. Ich hatte das Glück, dass mein Arbeitgeber mir immer sehr entgegen gekommen ist. Anfangs arbeitete ich an zwei Tagen je sieben Stunden, später dann an drei Tagen für jeweils sechs Stunden. Auch nachdem meine Tochter älter wurde und die Betreuungssituation mehr Arbeitsstunden erlaubt hätte, habe ich die Arbeitszeit nicht aufgestockt, weil ich es schlicht mit meinem Kopf nicht gepackt hätte.
Natürlich hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich früher nach Hause ging als meine Kollegen und montags und freitags frei hatte. Natürlich würde ich gerne mehr zu unserem gemeinsamen Einkommen beitragen, während mein Mann Vollzeit arbeitet. Auch im Hinblick auf meine spätere Rentensituation, wäre es wichtig, wieder mehr Stunden zu arbeiten. Aber das ändert alles nichts an der Tatsache, dass es nicht geht. Ich kann einfach nicht mehr leisten. Wenn ich mehr mache, als mein Kopf verträgt, ist die Folge nun mal immer die Gleiche. Und wenn ich wieder öfter wegen Migräne ausfalle oder wegen Kopfschmerzen schlechtere Leistung bringe, ist damit auch niemandem geholfen. Trotzdem bleibt es ein Gratwanderung zwischen Pflichtgefühl und dem Wunsch etwas beizutragen und dem Haushalten mit den eigenen Ressourcen. Ich habe auch immer wieder mit dem eigenen Anspruch zu kämpfen, dass ich etwas besonders gut machen möchte und es nicht nur irgendwie hinbekommen. Dafür müsste ich allerdings oft mehr Zeit und Energie investieren als mir möglich ist; das ist für mich sehr frustrierend.
Bei mir ist es mit meiner Arbeit auch leider nicht auf Dauer gut gegangen. Nach Kiel habe ich noch zehn Jahre geschafft in meinem Beruf weiterzuarbeiten. Und obwohl ich zusätzlich Homeoffice machen konnte und weiterhin nur an drei Tagen gearbeitet habe, bin ich immer öfter ausgefallen. Zum Ende hin habe ich oft schlecht gefühlt. Ich hatte eigentlich immer ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Kollegen, die meine Aufgaben übernehmen mussten, wenn ich nicht da war. Und natürlich auch meinem Vorgesetzten gegenüber, wenn meine Projekte zu langsam vorangingen. Irgendwann hat sich meine Migräne dann verkompliziert, bis ich plötzlich Anfang 2016 eine Dauer-Migräne hatte. Seitdem bin ich dauerhaft krank geschrieben.
Warum mache ich kopflastig?
Nun fragt ihr euch vielleicht, wie ich euch weiterhelfen kann, wenn sich meine eigene Geschichte doch so wenig erfolgreich anhört?
Erstens: seit Beginn 2016 hat sich viel getan. Mir geht es wesentlich besser. Zur Zeit habe ich Migräne ungefähr zwei Mal pro Monat und an maximal acht Tagen pro Monat starke Kopfschmerzen, an den anderen Tagen nur leichte und immer öfter mal gar keine. Das ist für mich eine sehr gute Quote im Vergleich zu vorher. Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich das kombinieren ließe mit meinem alten, sicheren gut bezahlten Job, aber da es nicht danach aussieht, bin ich dabei für mich andere Möglichkeiten zu finden. Wie das weitergeht wird sich zeigen.
Zweitens: wenn ich das Wissen, das ich heute habe, gleich zu Beginn meiner Kopfschmerz Karriere zugänglich gehabt hätte, hätte sich einiges verkürzen und manches sogar komplett verhindern lassen. Ich habe schon allein in meinem Freundes- und Bekanntenkreis mindestens vier Fälle von Leidensgenossen, denen es deutlich besser ging, nachdem ich weitergegeben hatte, was ich gelernt habe. Bei einer Freundin begann sich gerade Migräne-Problem aufzubauen, das wir direkt haben abwenden können.
Drittens: nicht jeder Fall verläuft gleich oder gleich schlimm. Meine Schmerz-Quote hört sich vielleicht nicht gut im Vergleich zu einem gesunden Menschen. Im Vergleich zu meinen schlechtesten Zeiten ist die Verbesserung aber enorm. Bei jemandem, dessen Fall anders liegt könnte man vielleicht von einer vergleichsweise leichteren Einschränkung dahin kommen, dass er oder sie nahezu gar keine Beschwerden hat.
Viertens: wie bei vielen anderen Erkrankungen auch, ist auch hier die psychologische Seite ein wichtiger Faktor. Damit meine ich nicht, dass die Ursache von Kopfschmerzen in einem psychischen Problem zu suchen ist oder eine Migräne durch einen bestimmten Persönlichkeitstyp begründet ist. Ich rede eher von psychischen Begleitumständen einer körperlichen Erkrankung bei denen man Unterstützung gebrauchen kann. Der Austausch, der zeigt, dass man nicht allein ist oder kleine gegenseitige Aufmunterungen können in schlechten Zeiten einen großen Unterschied machen.
Und zuletzt aber nicht am Unwichtigsten:
Es macht viel aus, wie man sich seinem Handicap stellt. Vielleicht hilft es jemandem, der noch ganz am Anfang steht, zu sehen, wie jemand damit umgeht, der schon lange mit dem Thema zu tun hat. Vielleicht hilft es zu sehen, dass auch andere Menschen nicht hundertprozentig funktionieren und das es möglich sein kann, einen ganz anderen Weg einzuschlagen. Zum Beispiel den Gedanken zuzulassen, dass Vollzeit zu arbeiten unter Umständen nicht der einzig mögliche Weg ist. Oder dass es Sinn macht, sich die Frage zu stellen, was Lebensqualität ausmacht und was man braucht um glücklich zu sein.
Puh, jetzt sind wir aber recht philosophisch geworden zum Ende hin. Ich will nur auf Folgendes hinaus: ich kann euch auch kein Patentrezept bieten. Aber die Erfahrungen, die ich gemacht habe und mit welchen Gedanken ich daraus herausgegangen bin, würde ich gerne mit denen teilen, denen es ähnlich geht wie mir. In der Hoffnung, dass uns das gegenseitig hilft.
15. Dezember 2019 at 21:20
Liebe Ursi,
Das freut mich sehr für dich, das du nach so vielen Jahren mit Migräne ein gutes Mittel für dich gefunden hast!
Das würde ich auch erstmal so richtig feiern.
Mit Empfehlungen ist das ja immer so eine Sache…
Nur weil es bei einem mit Aimovig toll funktioniert, muss das nicht für jeden gelten.
Es hat sich ja leider mittlerweile herausgestellt, dass das Medikament nicht von jedem/jeder Patienten/Patientin gut vertragen wird oder bei allen gut hilft.
Ich bin noch nicht dazu gekommen, aktuelle Rückmeldungen von Aimovig „Nutzern“ hier auf dem Blog abzubilden, aber Interessierte können das alles ohne Registrierung im öffentlichen Forum im headbook der Schmerzklinik Kiel nachlesen. Da bekommt man einen guten Überblick über die Erfahrungen, die andere mit dem Medikament gemacht haben.
Ich gebe dir auf jeden Fall Recht, dass es eine gute Möglichkeit ist, über die man sich auf jeden Fall gründlich informieren sollte.
Deswegen ist es toll, wenn die, die es schon nehmen ihre Erfahrungen teilen.
Ich danke dir, dass du deine hier aufgeschrieben hast.
Da werden sich bestimmt viele drüber freuen.
Ich drücke dir ganz doll die Daumen, dass es für dich so gut weitergeht!
Liebe Grüße,
Nina
14. Dezember 2019 at 0:22
Hallo, ich habe euern Block gelesen und kann sagen
nach 40 Jahren mit Migräne kenne ich eigentlich alles.
Meine Rettung war die neue Therapie mit aimovig.
Natürlich ist man nicht geheilt, aber die Migräneanfälle
sind weniger geworden und kürzer. Ich empfehle jedem einen guten Neurologen der sich mit dieser Behandlung
auskennt und befürwortet.
Liebe Grüße U. B.
25. September 2019 at 13:56
Hallo Ria,
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Hier soll es ja nicht nur um Migräne gehen, sondern um Kopfschmerzen oder auch Schmerzen ganz allgemein.
Und da haben wir wahrscheinlich viele gemeinsame Probleme. Da freu ich mich also sehr, wenn sich auch Nicht-Migräniker angesprochen fühlen. 🙂
Du rennst bei mir offene Türen ein.
Ich sehe das genauso wie Du, auch wenn es vielleicht noch nicht deutlich herausgestellt ist im Blog…
beziehungsweise der entsprechend Artikel zum Thema Psychologische Komponente bei Schmerzen noch nicht geschrieben ist.
Es gibt bei dem Thema eigentlich zwei, fast sogar drei (je nachdem, wie man das angehen möchte) Punkte:
– Den vermeintlichen psychosomatischen Hintergrund bei Migräne
– Verhaltenstherapie bei Schmerzen (wie gestalte ich meinen Alltag, lerne mich abzugrenzen, anders zu verhalten, damit ich weniger Schmerzen habe)
– Psychotherapie oder Verhaltenstherapie (bei den Folgen der Schmerzen)
Ich habe das Vorurteil als erstes aufgegriffen, weil es so verbreitet ist und Migräniker effektiv bei der Behandlung aufhält.
Und während sich das Wissen, dass Migräne keinen psychosomatischen Hintergrund als Ursache hat nur langsam verbreitet, sind die Vorteile von Psycho- oder Verhaltenstherapien ja schon etwas bekannter. Deswegen habe ich diese Reihenfolge für mich gewählt.
Aber das soll natürlich überhaupt nicht heißen, dass ich psychologische Betreuung unwichtig finde oder die Begleit- und Folge-Erkrankungen und Probleme von chronischen Schmerzpatienten vernachlässigt werden sollten – ganz im Gegenteil.
Ich hoffe, dass kommt hier auch nicht so rüber.
Denn tatsächlich ist es ja leider eher die Ausnahme, wenn man keine psychischen Folgen durch eine Schmerz-Erkrankung bekommt. Die Mehrheit hat oft mit Ängsten, Isolation oder Depressionen (um nur mal die Spitze des Eisbergs zu nennen) zu kämpfen.
Also, wenn das Thema hier bisher nicht besprochen ist, dann nur, weil ich noch nicht dazu gekommen bin. 🙂
Liebe Grüße,
Nina
21. September 2019 at 15:26
Hallo Nina,
ich bin auch ein Schmerzpatient und habe häufig Kopfschmerzen. Allerdings ist es bei mir keine Migräne, die Schmerzen werden durch Entzündungen in der HWS ausgelöst, äußern sich aber ähnlich wie Migräne.
Ich wollte kurz etwas zur Psyche schreiben, weil ich den Eindruck habe, dass dieser Ansatz hier zu kurz kommt.
Mag ja sein, dass die Ursache für Migräne nicht die Psychosomatik ist und auch keine anderen psychischen Ursachen hat. Fährerweise sollte man aber zumindest erwähnen, dass der dauernde Schmerz, die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit und deren Folgen, sehrwohl die Psyche beeinflussen können und somit die Folgen der Migräne (nicht die Migräne selbst) zu psychischen Problemen führen kann.
Ob das so kommt oder nicht, ist natürlich davon abhängig, wie man mit dem Problem umgeht . Deshalb denke ich, dass vielen Schmerzpatienten (egal welche Ursache der Schmerz hat), eine Psychotherapie oder der Aufenthalt in einer Schmerzklinik helfen könnte, besser mit den Schmerzen und deren Folgen umzugehen.
In einer Schmerzklinik werden ja auch niemals nur die körperlichen Probleme bearbeitet.
Ich wünsche euch allen gute Besserung!
Lg Ria
9. Juli 2019 at 11:44
Hey Sara,
Ja, das hoffe ich, dass Dir irgendwas von dem hilft, was ich Dir geschrieben habe.
Andere können ja immer nur Impulse geben, entscheiden musst Du selber. Und es hat ja auch niemand so viele Informationen über Deine Lage wie Du selber….
Aber vielleicht ist es für Dich schon hilfreich, mal ein bisschen Austausch mit denen zu haben, die in einer ähnlichen gesundheitlichen Situation sind und Dich nicht nur mit den “Gesunden“ zu vergleichen, die viele Sachen einfach nicht nachvollziehen können – selbst die Verständnisvollen nicht.
5. Juli 2019 at 7:46
Liebe Nina,
Danke für Deine Antwort.
Du hast mir tatsächlich etwas die Furcht davor genommen, mich wegen der Migräne krankschreiben zu lassen.
Das war bisher ein Tabuthema („sind ja nur Kopfschmerzen … haben ja viele …“ und jeder hat gute Ratschläge dazu. Also eigentlich bin ich, wenn ich auf das Umfeld höre, ja selbst schuld, weil *ich zu viel nachdenke, zu wenig Tabletten nehme, zu viele Kohlenhydrate esse* … da kannst du jetzt alle gut gemeinten Tipps einsetzen), da zu meinem Selbstbild gehört, mein Leben im Griff zu haben …( ähem, wer hat das schon wirklich, aber für eine perfektionistische Migränikerin ist die Erkenntnis, dass dem eben nicht so ist, eine besonders bittere Pille).
Viele Grüße von Sara (nach einem herrlichen Sommertag im abgedunkelten Zimmer und dank sumatriptan nach einer erholsamen Nacht )
28. Juni 2019 at 1:18
Hey Sara,
ja, das kenne ich auch alles nur zu gut: mit dickem Kopf stundenlang im Internet recherchieren. Glücklicherweise findet man da ja mittlerweile auch viel Hilfreiches.
Und gut, dass Du schon viel Wissen angesammelt hast und vor allen Dingen über den MÜK bescheid weisst. Damit kannst Du Dir ne Menge Leid ersparen.
Im headbook kannst Du übrigens auch erstmal nur still mitlesen und Dich informieren. Nur wenn du selber schreiben möchtest, musst Du Dich registrieren.
Das Tolle ist, dass die Foren von Mitarbeitern der Klinik betreut werden. Deswegen bekommt man da dann entsprechend qualifizierten Input.
Amitriptilyn war übrigens auch meine erste Prophylaxe. Damals aber gegen Spannungskopfschmerzen. Mittlerweile denke ich, dass das nicht das günstigste Medikament zum Einstieg ist.
Erstmal ist es eher für Kopfschmerzen als für Migräne geeignet. Und zweitens haben Viele mit den Nebenwirkungen zu sehr zu kämpfen, als dass sie auf eine eventuelle Wirkung warten mögen. Vor allen Dingen der starke sedierende Effekt verträgt sich nicht damit, wenn man weiterhin arbeitsfähig sein möchte.
Viele Patienten bekommen das trotzdem nach Schema F als erstes verschrieben, sind danach total verschreckt vom Thema Prophylaxe allgemein und mögen dann nichts anderes mehr ausprobieren.
Das ist natürlich nur meine Meinung.
Das basiert auf dem was ich von anderen höre und wie es mir ging.
Zur medikamentösen Prophylaxen will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen mit Empfehlungen.
Aber die Angst nehmen, würde ich Dir schon gerne. Es gibt da auf jeden Fall viele Möglichkeiten und nicht alle müssen/werden so verlaufen.
Was nun Deine berufliche Situation angeht…
Ich lese da heraus, dass Du Dir gerade eigentlich nicht vorstellen kannst, arbeiten zu gehen. Und dass Du Dich gerne erstmal um deine Gesundheit kümmern möchtest. Weil Du schreibst, Du hättest gern Zeit für deine Arzttermine usw. Und Du hast ja auch nicht ohne Grund gekündigt.
Also ich will Dich da nicht in eine Richtung bequatschen, nur:
Die Frau vom Arbeitsamt wird Dich ja nicht in die Richtung beraten, die im Interesse Deiner Gesundheit liegt, vermutlich.
Ausserdem hab die auch wieder ihr Schema F.
Du sagst ja selber schon, dass dir die ambulante Reha nicht sinnig erschien…
Was Du an deren Angeboten annehmen musst, wenn Du normal arbeitslos gemeldet bist, weiß ich allerdings leider nicht.
Weil Du sagst, Du möchtest Dich nicht als krank ansehen und Dich nicht traust, zu sagen, dass Du nicht weißt, ob Du einen Job zusätzlich zu deinen Kindern mit dem Kopf grad schaffst, frag ich mich, ob Du die Möglichkeit in Betracht gezogen hast, Dich mal richtig krankschreiben zu lassen. Und ob Du schon mal durchgerechnet hast, ob Ihr eine zeitlang finanziell zurechtkommen könntet, wenn Du ins Krankengeld kämst?
Und wenn nicht, hättet ihr noch Anspruch auf andere Gelder?
Könnte ja ein Plan sein, irgendwie diese Durststrecke zu finanzieren, damit Du dann hinterher durchstarten kannst, wenn Du Dich wieder aufgepäppelt hast.
Dann käme übrigens auch erst der MDK ins Spiel.
Ich hatte das beim letzten Mal noch nicht ganz verstanden. Ich dachte, Du wärst aus gesundheitlichen Gründen freigestellt oder sowas in der Art, wusste noch nicht, dass du gekündigt hast.
Wenn du normal arbeitslos bist, musst Du Dich um Arbeit bemühen, aber wenn du arbeitsunfähig wärst, vom Arzt bescheinigt, dann natürlich nicht. Dann musst Du Dich nicht beim Arbeitsamt wegen der Migräne erklären. Dann steht da nur arbeitsunfähig.
Wenn man dann länger krank ist, kommt irgendwann der Mdk (das kommt über die Krankenkasse, weil die ja quasi Dein Gehalt zahlt) und möchte einen zusätzlichen Termin, um das nochmal zu verifizieren. Soweit zum Mdk.
In der Schmerzklinik würde man sich um Deine Erkrankung kümmern und um Deinen Umgang damit. Man sagt Verhaltenstherapie ist bei Schmerzerkrankungen genauso wichtig und wirksam, wie die die richtigen Medikamente. Von daher würde ich schon sagen, dass Du da mit Deiner letzten Frage gut aufgehoben bist.
Also nicht falsch verstehen, (auch weil das hier vielleicht ja auch nochmal jemand anders liest und denkt, ich möchte hier alle zum Krankenbett überreden) Ich möchte nicht pauschal dem Arbeitswilligen raten, sich auf Staatskosten abzulegen.
Es steht überhaupt nicht zur Frage, dass wir gerne arbeiten gehen möchten, wenn wir können.
Aber ich finde es auch wichtig zu erkennen, wenn es nicht mehr geht und rechtzeitig die Reißleine zu ziehen, damit es wieder besser werden kann.
Dann finde ich es legitim zu sagen, ich kümmere mich um meine Gesundheit, damit ich hinterher meine Familie wieder versorgen kann und dafür nehme ich jetzt Unterstützung in Anspruch (aus einem Topf in den ich vorher selber eingezahlt habe).
Und ich hab das Gefühl, so geht es Dir gerade, traust Dich aber nicht so recht (vielleicht ist wirklich finanziell komplett unmöglich, aber was wäre wenn es muss) und kannst den Zuspruch gebrauchen.
Natürlich könntest Du auch versuchen, Dir schnell einen guten Neurologen zu suchen, eine Prophylaxe zu finden und parallel einen neuen Job. Dann könnte man immer noch nach ein paar Monaten im Job vielleicht einen Klinikaufenthalt einschieben oder eine Reha.
Es hört sich bloss nicht so an, als ob Du das bis dahin durchhalten würdest, ehrlich gesagt.
Too much?
Es kann ja vielleicht zumindest nicht schaden, sich über die Möglichkeiten zu informieren, was du jetzt machen könntest….
In eine Schmerzklinik zu gehen, kann ich Dir auf jeden Fall bedenkenlos empfehlen. Kiel wäre da immer meine erste Adresse, weil ich da selber war.
Kopf hoch, liebe Sara.
Ich drück Dir die Daumen.
Und sag, wenn es zu viele „Ratschläge“ sind. 🙂
Liebe Grüße,
Nina
27. Juni 2019 at 22:18
Liebe Nina,
Danke für Deine ausführliche Antwort!
„Was ich mich frage, hast du einen guten Arzt der dich betreut?
Weil man hofft, es gibt sich von allein, gute Ärzte nicht leicht zu finden sind, das Umfeld die Erkrankung bagatellisiert, man zwischendurch noch funktioniert und vermeintlich nicht die Zeit hat, sich drum zu kümmern – bis es eben nicht mehr weitergeht.“
Deine Begründungen treffen ins Schwarze.
Man hofft, es gibt sich von allein. Das ging/ geht mir so (und ich ging darum eben bis zu dem krassen Schritt, dass ich gekündigt habe, weil ich dachte, wenn ich was anderes arbeite, wird’s besser – übrigens mit psychologischer Beratung).
Ich bin zwar in sehr regelmäßiger und vertrauensvoller Betreuung bei meinem Hausarzt, aber wegen genau all der „weils“, die du genannt hast (man hofft, es gibt sich von allein, Bagatellisierung, zwischendurch funktionieren, keine Zeit sich zu kümmern), wird die Migräne eher als Folge der ganzen anderen Belastungen behandelt, denn als Ursache. Da haben sich schlichtweg verschiedene Dinge gegenseitig überlagert: irrsinniges Arbeitspensum, private Umstände, hohe Ansprüche an mich selbst, Existenzangst, nicht wahrhaben wollen, dass ich nicht voll einsatzfähig bin, Druck und völliges Unverständnis von Seiten der Arbeitgeber und ja, auch keine Klarheit/ Aufklärung von ärztlicher Seite (außer Diagnose „Migräne mit hoher Anfallsfrequenz“).
Medizinisch bin ich – denke ich – mittlerweile ziemlich gut informiert, da ich während meiner Anfälle und vor allem während der Stunden, wenn der Schmerz nachlässt und ich völlig erschöpft bin, viele verzweifelte Stunden mit surfen und recherchieren verbracht habe. Das mit dem kaputt-im-Bett-liegen-und-surfen scheint ja anderen auch so zu gehen. Manchmal bin ich erstaunt, dass das dann doch noch geht ☺ .
Mit Triptanen bin ich versorgt. Diese Superpillen wirken bei mir fantastisch, allerdings darf ich nur weit weniger als die besagten 10 im Monat nehmen, ohne dass der Schuss nach hinten losgeht und ich einen komischen Dauerkopfschmerz entwickle. Zudem muss ich darauf achten, trotzdem auszuruhen und zu schlafen, weil sich die Migräne ansonsten tagelang hinzieht. Kopfschmerztagebuch führe ich seit drei Jahren – schon wegen des MÜK.
Prophylaxen konnte ich, während ich erwerbstätig war, nicht ausprobierten (dachte ich zumindest :/ ). Ich musste arbeitsmäßig Hochleistung bringen (dachte ich zumindest :/ ) und hatte einfach Angst noch häufiger auszufallen oder gar für meine Kinder nicht mehr ansprechbar zu sein. Also kein Raum für Experimente. Nur für Triptane und die wurden immer mehr. Die erste Prophylaxe (und Neurologin) habe ich erst vor einigen Monaten (nach meiner Kündigung) ausprobiert – Amitriptylin. Schrecklich. Das hat schon mit der Hälfte der geringsten verfügbaren Dosis so reingehauen, dass ich morgens nicht mehr aus dem Bett kam. Und dann kamen Dauerkopfschmerzen. Seither habe ich mich um einen weiteren Termin/ weiteres Experiment gedrückt.
Mein Umgang mit dem Ganzen ist sehr prozesshaft. Ich bin in einer ständigen Suchbewegung, um für mich besser einzuordnen, was mit mir los ist. Tatsächlich kenne ich niemanden in meinem Umfeld mit Migräne in dem Ausmaß (außer meinen Vater, aber er ist verstorben) und hatte bisher keine Möglichkeit, mich auszutauschen. In einer Klinik war ich noch nicht. Nur zweimal in Mutter-Kind-Kur in den letzten beiden Jahren, aber da bleiben Gespräche und Behandlungen doch sehr allgemein. Und Migräne scheint halt doch sehr spezifisch zu sein. Das mit der Primärerkrankung habe ich jetzt erst aus dem Internet gelernt. Und werde mich jetzt definitiv mal im Headbook registrieren. Danke für deinen Hinweis!
Echten Informationsmangel habe ich auf anderer Ebene. Nämlich, wie das mit dem MDK funktioniert. Ich habe mich bisher geweigert, mich als krank anzusehen. Nun hatte ich einen Termin beim Job Center und irgendwie blieb das Gespräch für mich recht nebulös. Ich meinte ich hätte +/- 10 Tage pro Monat Migräne und weiß nicht so Recht, wie und wo ich mich damit bewerben soll (eigentlich, weiß ich nicht mal, wie ich neben Familie versorgen überhaupt noch arbeiten soll, aber das habe ich mich nicht getraut du sagen).
Die nette Dame unterbreitete mir das „Angebot“, eine ambulante Reha, wo ich Zeitmanagement etc. lerne, zu machen. Ich weiß nicht, ob ich das machen muss. Und wie ich erklären soll, dass Migräne nicht die Folge von mangelndem Zeitmanagement ist. Ich hätte gern erst einmal noch Zeit, Arzttermine wahrzunehmen, meine Grenzen kennenzulernen, für meine Kinder zu sorgen, Expertin für mich zu werden. Ich bin sehr gut ausgebildet, mir mangelt es weder an Qualifikationen, noch an Berufserfahrung, noch Ideen. Woran es mir mangelt ist eine realistische Einschätzung meiner Arbeitsfähigkeit bzw. meiner Grenzen. Kann bei so etwas auch ein Aufenthalt in einer Schmerzklinik weiterhelfen?
Auf jeden Fall erstmal vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast!
Liebe Grüße
Sara
P.S. Das Schreiben hilft mir auch bei meiner innerlichen Klärungsarbeit 🙂
24. Juni 2019 at 22:50
Liebe Sara
Willkommen auf kopflastig!
Also ich kann Dir auf jeden Fall sagen, dass Du an einer richtig echten Krankheit leidest. 🙂
Ich finde das Annehmen der Krankheit sehr wichtig, auch wenn es schwer fällt.
Aber das ist wichtig, weil sich daraus ja ergibt, wie du damit umgehst.
Ich will dir da gar nicht so einen langen Vortrag halten, wenn du nicht schon ähnliche Gedanken hättest, wärst du vielleicht nicht hier, hättest auf jeden Fall nichts geschrieben oder?
Aber es klingt so, als hättest du schon genug Menschen um dich herum, die deine gesundheitlichen Probleme nicht Ernst nähmen. Also dachte ich, ich sag’s nochmal.
Es ist übrigens gar nicht so seltsam, dass du die Schmerzen sofort wieder vergisst, verdrängst, sie dir im Nachhinein nicht so schlimm vorkommen, wie auch immer man das ausdrücken möchte.
Das kenne ich von mir selber auch.
Das ist ein ganz natürliches Phänomen und mit ein Grund, warum es Sinn macht, diese nervigen Kopfschmerzkalender zu führen – damit man einen ungeschönten Blick auf seine Lage bekommt.
Die Natur hat das so eingerichtet, dass wir die Schmerzen in der Erinnerung in unterschiedliche Richtungen verklären.
„Das bisschen Kopfweh“… boa, wie gemein.
Migräne ist keine psychosomatische, sondern eine neurologische Erkrankung, aber das weißt du sicher schon.
Dass die Migräne nicht sofort besser geworden ist, nachdem die Belastung durch die Arbeit weggefallen ist, ist natürlich hart für dich.
Aber leider auch nicht ungewöhnlich. War bei mir auch nicht so. Da sieht man mal, dass man nicht einfach so sagen kann, es ist bestimmt der Stress. Und Arbeit ist ja Stress, also muss es doch ohne Arbeit besser werden. Migräniker haben ein Problem mit der Reizverarbeitung. Viele Faktoren können da bei dir eine Rolle spielen.
Du bist ja auch nach wie vor gefordert und lebst nicht im luftleeren Raum.
Was ich mich frage, hast du einen guten Arzt der dich betreut?
Denn irgendwie liest sich dein Kommentar so, als ob du bis jetzt noch keine adäquate Behandlung bekommen hättest. Was übrigens nicht ungewöhnlich wäre, vielen geht es so.
Weil man hofft, es gibt sich von allein, gute Ärzte nicht leicht zu finden sind, das Umfeld die Erkrankung bagatellisiert, man zwischendurch noch funktioniert und vermeintlich nicht die Zeit hat, sich drum zu kümmern – bis es eben nicht mehr weitergeht.
Es ist aber leider nicht auch ungewöhnlich, dass Migräne im Laufe des Lebens mehr wird und das gibt sich dann nicht, ohne dass man etwas unternimmt.
Ich will dir ja jetzt nicht lauter Sachen aufzählen, die du schon vielleicht schon zwanzig mal hinter dir hast.
Aber wenn ich lese, dass du so einen Druck bist, als Alleinversorgerin, hab ich immer gleich das Bedürfnis, dir Arbeit abnehmen zu wollen.
Du schreibst ein langer Leidensweg…. war da schon mal eine Klinik dabei?
Was für Behandlungen hast du schon gemacht? Hast du eine gute Anfallsmedikation, ein gut funktionierendes Triptan? Was gegen die Übelkeit? Zum Einschlafen? Schon mal eine Prophylaxe ausprobiert? Für dich was Begleitendes gefunden Sport, Entspannung…?
Wegen der Frau vom Arbeitsamt würde ich mir übrigens keine Sorgen machen. 🙂 Vor der musst Du dich nicht erklären. So läuft das normalerweise nicht ab.
Nun weiß ich nicht ganz genau, wie bei dir die Lage ist arbeitsrechtlich gesehen. Aber ob man arbeitsfähig ist oder nicht, beurteilt auf jeden Fall nicht das Arbeitsamt. Wenn man krankgeschrieben ist zum Beispiel, macht das der MDK. Den Termin dort fand ich nicht schlimm. Ich konnte mich in Ruhe erklären und danach gab es überhaupt keine Zweifel, dass ich gerade arbeitsunfähig war.
Und wirst Du nicht ohnehin auch erstmal krankgeschrieben und bekommst Krankengeld? Und danach gibt es eigentlich erstmal ein Jahr Arbeitslosengeld 1, da werden auch so gut wie keine Fragen gestellt.
Aber vielleicht musst Du Dir darüber jetzt auch noch keine Gedanken machen.
Du kannst noch nicht wissen, welchen Stand Du gesundheitlich wieder erreichen wirst, oder wann. Aber Du könntest jetzt was unternehmen, damit es Dir jetzt erstmal wieder ein bisschen besser geht. Dann kannst Du auch wieder besser nachdenken, was Deine Möglichkeiten sind. Das hab ich mir immer gesagt, wenn mir die Zukunftsorgen zu viel wurden.
Der Anfang ist immer schwierig, aber so wie es jetzt ist kann es ja auch nicht bleiben.
Und ganz allein bist Du auch nicht.
Wir sind viele und gut vernetzt.
Guck doch mal ins Headbook von Kiel, falls noch nicht geschehen.
Es kann nicht schaden, sich schnell mal ein paar Gegenstimmen zu holen, gegen so Leute wie deinen Chef ( hat der das wirklich gesagt? Ich komm nicht drüber weg).
Liebe Grüße,
Nina
22. Juni 2019 at 11:29
Liebe Nina (und liebe Franziska),
Dein (bzw. Euer) Leidensweg kommt mir sehr bekannt vor und irgendwie trösten mich Eure Geschichten.
Ich bin 41, seit 12 Jahren alleinerziehend mit zwei Töchtern (12+14 Jahre alt) und musste vor einem halben Jahr meinen Lehramtsanwärterdienst ohne zweites Staatsexamen abbrechen, da meine Migräne mich kaum noch einen Tag lang geradeaus denken lassen hat (geschweige denn, dass ich mit dem dicken Kopf die Prüfungsanforderungen erreicht hätte).
Von meinem Chef wurde das „bisschen Kopfweh“ als psychosomatisch abgestempelt, von Kollegen meine Belastbarkeit in Frage gestellt (wahrscheinschlich zurecht – ich WAR überlastet) und die Schüler waren einfach nur schockiert, wenn ich während des Unterrichts auf’s Klo rannte, um mich zu übergeben.
Dem Ganzen ging ein langer Leidensweg voraus und besonders in den letzten vier Jahren haben die Migräneanfälle so stark zugenommen, dass ich mittlerweile gar nicht mehr weiß, wie ich überhaupt noch dauerhaft außer Haus, zu vorgegebenen Zeiten arbeiten soll. Das macht mich sehr verzweifelt (zudem ist der psychische Druck als Alleinversorgerin immens). Ich hatte gehofft, dass mit meinem Ausscheiden aus dem Schuldienst (hohes Arbeitspensum, lange Fahrtzeiten, Prüfungsdruck und sehr hohe Reizdichte), mein Kopf wieder besser wird … aber die Anfallhäufigkeit ist kaum zurückgegangen. Die Anfälle sind nicht mehr so heftig, das liegt aber denke ich vor allem daran, dass ich mich derzeit, wenn’s nötig ist schonen und zurückziehen kann und eben „nur“ Hausfrau und Mutter bin. Auf diesem Level kann ich mich jedoch nicht einrichten, da ja irgendwoher das Geld zum Leben kommen muss.
Das Seltsame ist: die Schmerzen sind ätzend und massiv lebenseinschränkend, aber kaum sind sie ein paar Tage vorbei, vergesse ich den Schmerz, fühle mich leistungsfähig und stelle die Migräne komplett in Frage, so als ob ich diese Einschränkung gar nicht hätte (genauso wie ja auch die Umwelt darauf reagiert, die diese Schmerzen nicht kennt). Dann gebe ich mich immer wieder der Hoffnung hin, dass doch noch alle gut wird, dass ich eine schöne Arbeitsstelle finde, wo ich all meine Qualifikationen einbringen kann und Geld und Anerkennung bekomme. Bis zur nächsten Migräneattacke.
Ich finde, es ist ein sehr schmaler Grad zwischen Annehmen und sich Auflehnen. Niemand sagt mir, dass ich eine echte Krankheit habe. Manchmal zweifle ich an meiner Selbstwahrnehmung. In den schmerzfreien Zeiten kommt mir das Ganze wie ein Spuk vor. Und: wie erkläre ich das der Dame auf dem Arbeitsamt oder einem potenziellen Arbeitgeber? Wo ich es mir selbst doch kaum erklären kann!
Viele Grüße
Sara
23. Mai 2019 at 12:11
Dankeschön liebe Marijke, das freut mich. Ich schreib dann mal einen Bericht, wenn ich die Wirkung vom Topiramat beurteilen kann.
23. Mai 2019 at 9:20
Liebe Nina,
danke für es teilen von deiner Geschichte.
Auch hier nochmal viel Erfolg mit dem Topiramat von mir gewünscht!
Ich bleibe dir gerne folgen 😀
Herzliche Grüße,
Marijke
30. März 2019 at 18:27
Liebe Franziska,
da können wir uns die Hand reichen mir geht es gerade genauso, auch auf meinem Nachttisch liegt das Topiramat (seit vier Wochen) und auch mich gruselt es. Trotzdem habe ich gestern damit angefangen, denn …doch es gibt einige Erfolgsberichte, auch ohne schlimme Nebenwirkungen.
Im Prinzip ist es ja so: Du weißt vorher nie, welche Nebenwirkung genau Du haben wirst und welche davon Du als unzumutbar empfindest, solange Du es nicht selber ausprobierst. Im headbook habe ich gelesen, dass man Topiramat bei Nicht-Vertragen direkt absetzen kann und nicht Ausschleichen muss (das müssen nur Epileptiker), damit ist der Spuk mit den Nebenwirkungen dann recht schnell vorbei. Es gibt tatsächlich in selteneren Fällen auch Langzeitfolgen (Leber- und oder Nierenschäden), dass ist natürlich eine ernstere Sache. Aber wenn man um das Risiko weiß, kann man durch regelmäßige Check-Ups vorbeugen. Und das wäre ja auch erst wichtig, wenn man das Medikament länger nehmen würde, weil es so toll wirkt – juchhu!
Bleiben noch die psychologischen Nebenwirkungen (Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen), was ich persönlich am gruseligsten finde. Da denke ich mir, wenn ich mich gut beobachte und ich bin ja auch nicht alleine, dürfte das eigentlich nicht ausufern. Und auch diese sollen nach dem Absetzen schnell verschwinden.
Wichtig ist wahrscheinlich, dass man schafft, da aus einem positiven Gefühl ranzugehen. Das ist aber genau das Problem, wenn man schon am Boden ist. Man möchte nichts mehr einnehmen, was eventuell dazu führt, dass es einem noch schlechter geht. Es fehlen ja ohnehin schon die Reserven.
Ich habe gewartet bis ich zu mindest ein paar gute Tage am Stück hatte, mich vorher ein paar Tage mit Bewegung, gesundem Essen und Ruhe gepäppelt, außerdem liegt in den nächsten zwei Wochen nichts Superwichtiges an.
Ich könnte mir vorstellen, dass das bei Dir gerade etwas schwieriger ist, solche Voraussetzungen zu schaffen.
Hast Du denn schon andere Prophylaxen ausprobiert? Topiramat ist ja eigentlich nicht das Medikament mit dem man startet…
Aber eigentlich ist Dein letzter Satz für mich der entscheidende (und der mir das Herz bricht). Denn so ist es leider. Du hast Migräne – das ist Deine Krankheit, manche sagen tatsächlich auch Behinderung dazu, und die ist grundsätzlich nicht heilbar. Du musst Dein Leben dementsprechend einrichten, damit Du möglichst selten Attacken hast. Das war für mich auch ein wichtiger Prozess, das zu akzeptieren und auch den wichtigsten Menschen um mich herum verständlich zu machen. Damit kämpfen wir (Hardcore-Migräniker) alle.
In der Reha sagt eine Leidensgenossin in einer Gruppenrunde: „Manchmal wünschte ich hätte Krebs“ und ALLE Anwesenden haben genickt. Denn sie hat es auch gleich erklärt: sie wünschte sich natürlich keine lebensbedrohende Krankheit. Aber sie hätte gern etwas Eindeutigeres, Anerkanntes, bei dem man nicht schief angesehen wird und keiner erwartet, dass man es sich selber wegzaubert.
Ach zu dem Thema könnte ich mich unendlich auslassen, aber ich glaube, Du verstehst schon, was ich meine oder?
Was den Chiropraktik Versuch und die alternativen Heilmethoden angeht lehne ich mich jetzt mal ein bisschen aus dem Fenster und rate Dir, spar Dir die Energie, zumindest mal eine zeitlang. Ich habe da auch immer große Hoffnungen drauf gesetzt, aber es hat mir niemals etwas in der Richtung geholfen und ich kenne auch niemanden persönlich, bei dem das der Fall war. Normalerweise sage ich das nicht so deutlich, aber ich würde Dir gerne ein bisschen Irrweg ersparen, weil ich glaube, Du kannst das grad gebrauchen.
Du sagst ja schon, dass die psychologischen Folgen der Migräne für Dich gerade fast belastender sind, als die Migräne an sich. Mangelndes Selbstwertgefühl und so weiter – das kenne ich auch nur zu gut. Es weiß ja auch kein „Gesunder“ was es für eine Leistung ist, was man trotz Migräne noch alles schafft. Dagegen fand ich auch immer den Austausch mit anderen Betroffenen am Hilfreichsten.
Es gäbe natürlich auch Möglichkeiten für Dich, Dir zu Hause Hilfe zu organisieren. Du könntest eine Verhaltenstherapie machen und Dir eine Selbsthilfegruppe suchen (zum Beispiel über die MigräneLiga). Das kostet aber natürlich alles wieder Kraft. Wenn Du zu sehr auf dem Zahnfleisch gehst, ist dann vielleicht ein Klinikaufenthalt besser, wo Dir sowas alles abgenommen wird.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass das gut wäre für Eure Familie, wenn Du in eine Klinik gingst. Auch wenn das erstmal hart ist mit der Organisation.
Aber das macht allen den Ernst der Lage deutlich und leitet einen Umdenkprozess ein, der irgendwie nötig ist. Du musst auch kein schlechtes Gewissen haben, denn Du machst das ja alles auch, damit Deine Familie wieder mehr von Dir hat.
Darf ich mal fragen welches Triptan Du nimmst und wie oft?
29. März 2019 at 14:17
Liebe Nina, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Mein Status ist zur Zeit Hausfrau und Mutter. Ich wollte immer wieder zurück in den Beruf und mein Plan war nach dem 4. Kind, er ist jetzt im Kindergarten bis 16.00 Uhr der andere ist im Hort und die beiden Großen sind eh den ganzen Tag verplant, dass ich beruflich wieder einsteige. Ich habe immer freiberuflich gearbeitet( bis zum 2. Kind ging das auch noch) aber dann wurde es zu viel. Jetzt würde es eigentlich theoretisch wieder gehen, aber die Migräne lässt es nicht zu. Ich habe seit Jahresanfang keine Ruhe mehr…hier in München ist der Föhn auch ein riesen Problem, meine Hormone spielen auch eine große Rolle. Ich hatte normalerweise immer 2 Wochen Verschnaufpause, aber die Kopfschmerzen sind täglich, Mit ganz wenigen guten Tagen dazwischen. Mehr als die Migräne macht mir eigentlich meine psychische Verfassung zu schaffen, die ist nämlich im Keller, weil ich einfach so eingeschränkt bin und mich so kraftlos fühle….meine Selbstachtung ist wirklich weg…da würde mir ein Austausch mit Gleichgesinnten wirklich mal helfen, bisher habe ich mich mit meinem Leiden versteckt, nur ganz wenige können das verstehen und wissen was bei mir los ist. Ich habe nächste Woche einen Termin bei meinem Neurologen da werde ich das mit der Schmerzklinik mal ansprechen, ob ich da Aussichten habe aufgenommen zu werden. Ich war im September bei einem Arzt für AMERICAN CHIROPRACTIC, der war fest davon überzeugt mich von meiner Migräne befreien zu können, aber es hat nur eine kleine Verbesserung kurzfristig gebracht und jetzt ist es schlimmer denn je. Ich bin immer auf der Suche nach Alternativen Heilmethoden, leider bisher ohne Erfolg, weil einen diese ganzen Medikamente völlig kaputt machen…ich nehme mittlerweile nur noch Triptane und Naproxen. Und das auch nur noch wenn es gar nicht mehr geht. Meine Tage verbringe ich im dunklen Zimmer und versuche die Migräne wegzuschlafen…klappt manchmal, mit 4 Kindern auch nicht immer…das schlimme ist ja das die ganze Familie leidet. Mein Mann ist auch schon völlig genervt und einfach ratlos und die Kinder verstehen es auch nicht , warum es Mama immer schlecht geht.
Auf meinem Nachttisch liegt das Topiramat…mir graust es vor den Nebenwirkungen, weiß nicht ob ich es nehmen soll…habe bisher eigentlich wenig positives über das Medikament gelesen. Hast du damit Erfahrungen gemacht?
In einer Klinik, Reha war ich bis jetzt noch nie…mir ist eigentlich auch erst seit einiger Zeit klar, dass das eine richtige Krankheit ist, die ich nicht mehr im Griff habe und Hilfe brauche.
Liebe Grüße Franziska
28. März 2019 at 20:30
Hey Franziska,
herzlich willkommen!
Wow – vier Kinder und Migräne – dafür schon mal Hut ab 🙂
Ja, das ist bitter, wenn man seinen Beruf aufgeben muss, umso mehr wenn man ihn so gern gemacht hat. Ich fühle mit Dir!
Macht es für Dich Sinn nach Kiel zu gehen? Gute Frage.
Kürzlich hat mir meine Schmerztherapeutin auch vorgeschlagen, nochmal dort einen Aufenthalt zu probieren. Deswegen habe ich gerade erst selber darüber nachgedacht, ob mir eine zweite Runde etwas bringen würde. Ich war ja vor langer Zeit dort, vielleicht hat sich in der Zwischenzeit etwas Neues ergeben?
Andererseits lese ich immer fleißig in den Foren des Headbook mit und fühl mich schon recht gut auf dem neusten Stand. Ich kann mir irgendwie auch nicht vorstellen, dass mich da inhaltlich viel Neues erwartet. Andererseits ist nur das Fachliche nicht Alles…
Warst Du denn überhaupt schonmal in irgendeiner Klinik, Reha, Kur speziell wegen der Migräne?
Vielleicht hilft Dir bei der Entscheidung, wenn ich nochmal gezielt aufschreibe, was genau mir damals so gut getan hat in Kiel:
– ich habe dadurch meinen Kopfschmerz (damals problematischer als die Migräne) als eigenständige Krankheit annehmen können
– ich habe eingesehen, dass ich selber für den Verlauf meiner Behandlung verantwortlich bin und mich selber informieren muss (da war ich noch in meinen Zwanzigern und habe mich sehr auf die Ärzte verlassen)
– ich habe das Basiswissen erhalten, mit dem ich weitermachen konnte (ich wusste bis dahin nicht genug über Medikamentenübergebrauchskopfschmerz und das war bei mir ein großes Thema)
– ich wurde ernst genommen
– ich bin das erste Mal auf Andere mit ähnlichen Beschwerden getroffen und habe gesehen, dass ich nicht allein damit bin und das es mir im Vergleich zu anderen noch ganz gut ging (irgendwie fies ich weiß, aber hat mich getröstet)
– ich habe das erste Mal das Gefühl gehabt, mit Ärzten zu tun zu haben, die sich wirklich auf dem Gebiet auskennen (der Dialog ist ein anderer mit einem Arzt, der nicht unter anderem auch seinen Frust darüber bekämpfen muss, dass er Dir nicht helfen kann, weil er nicht genug Fachwissen zu Deinem Thema hat)
– mit Medikamenten wurde bei mir in der Zeit nicht so viel gemacht, weil ich schwanger war, aber…
– ich habe eine Medikamentenpause mithilfe von Kortison gemacht
Spricht Dich einer dieser Punkte an?
Wenn ich mir die Liste so angucke, würde nachdem was Du so schreibst, wohl eher der psychologische Faktor eine Rolle spielen… also der positive Effekt von mehreren erfahrenen Ärzten auf einmal (einen hast Du ja schon) begleitet zu werden und mit anderen Betroffenen zusammenzukommen. Den Effekt finde ich auch nicht zu unterschätzen.
Ich war zum Beispiel wegen der Migräne in einer Reha, die mir fachlich kaum etwas Neues bieten konnte (obwohl eine Überraschung gab es dann doch) und trotzdem hatte sie für mich einen enorm positiven Effekt (unter anderem, weil ich da auf die Idee zu diesem Blog gekommen bin :-)).
Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit eher etwas mit Kur-Charakter für die Erholung zu machen (was man als langjähriger Schmerzpatient immer gebrauchen kann, wenn man sich inhaltlich nicht mehr so viel verspricht, dafür fand ich tatsächlich auch die Reha nicht schlecht.
Welchen Status hast Du den gerade, bist Du krankgeschrieben, arbeitslos oder in Rente?
Denn was die Kinderbetreuung angeht, vielleicht weißt Du das ja schon, aber bei mir war es so, dass mein Mann unsere Tochter betreut hat, während ich in der Reha war. Dafür hat er seine Arbeitszeit extrem verkürzt und das dadurch entstandene Gehaltsdefizit von der Rentenkasse erstattet bekommen. War nur ein Antrag auszufüllen ohne viel Theater. Muss natürlich der Arbeitgeber mitspielen. Wir hätten aber auch Betreuungskosten durch Fremdbetreuung erstattet bekommen.
Vielleicht geht das ja auch an Deinem Problem vorbei, nur so eine Idee…
Ich könnte Dir zu dem Thema noch ganz viel aufschreiben, ich glaub‘ wir sind grad an einem ähnlichen Punkt. Aber ich mache mal lieber für heute Schluss, bevor das ausufert 🙂
Liebe Grüße,
Nina
Meditation habe ich übrigens schon ausprobiert, aber im Nachhinein nicht ausführlich genug. Hatte ich mir tatsächlich für demnächst vorgenommen. Ich finde das ganze Konzept total vielversprechend.
28. März 2019 at 15:32
Hallo, ich lese deinen Blog mit großem Interesse. Ich bin 46 Jahre, Mutter von 4 Jungs und habe seit meinem 10. Lebensjahr Migräne.
Ich bin sozusagen ein alter Hase, habe auch schon vieles ausprobiert und trotzdem mal wieder mit meinem Latein am Ende. Ich lebe in München und bin beim absoluten Migränepapst in Behandlung. Seit einigen Jahren wird die Migräne immer schlimmer. Ich kann nicht mehr in meinem Beruf arbeiten, ich bin Innenarchitektin, weil ich zu häufig Schmerzen habe. Das frustriert mich unglaublich. Ich habe meinen Beruf geliebt. Aber es ist mir nicht mehr möglich. Du schreibst hier viel über die Schmerzklinik Kiel und ich möchte dich fragen, ob die tatsächlich eine Veränderung bringen kann. Denn ich weiß schon, dass ich nicht zu viele Schmerzmittel nehmen darf, ich führe schon ein total reduziertes Leben, leider, versuche Stress zu vermeiden, mache so gut es geht Sport und frage mich, was mir dort noch Neues gesagt werden kann. Mit 4 Kindern ist so ein langer Krankenhausaufenthalt auch schwer zu organisieren. Wie gesagt ich weiß eigentlich schon alles über die Erkrankung…Macht es Sinn in die Klinik zu gehen? Wie waren deine Erfahrungen? Hast du mal Meditation ausprobiert? Das möchte ich als nächstes testen, denn auf der Entspannungsebene habe ich bisher tatsächlich noch nicht so viel versucht…
Freue mich auf Nachricht
LG Franziska Bauer