Der Frühling kommt und mit ihm Emgality – ein weiteres Medikament der neuartigen Migräne-Prophylaxe, die auf CGRP Antikörper setzt.
Somit gibt es wieder eine neue Chance auf Linderung für Menschen, die oft Migräne haben.

Doch was ist bei Emgality anders im Vergleich zum Vorgänger Aimovig? Ist das neue Medikament besser? Wird das zweite denen helfen, die mit dem ersten keinen Erfolg hatten? Was kostet Emgality? Werden CGRP Medikamente jetzt insgesamt günstiger?
Fragen über Fragen…

Emgality – die zweite CGRP Antikörper-Therapie

Emgality ist auf dem Markt – das zweite Medikament, das speziell zur vorbeugenden Migräne-Behandlung entwickelt wurde.

Allein das ist schon eine tolle Nachricht! Es wurde endlich die Notwendigkeit gesehen, in diese Richtung zu investieren und zu forschen – und das nicht nur von einem Unternehmen. Die Unterversorgung von Migräne-Patienten scheint also erkannt zu sein.
Investieren ist allerdings das richtige Stichwort, denn auch dieses Medikament ist teuer. Das hat unter anderem zur Folge, dass Ärzte mit der Verschreibung zögerlich sind. Es wird die Frage nach der Wirtschaftlichkeit erhoben.
Aber ich greife vor.

Für diesen Beitrag habe ich wieder direkt beim Hersteller (Lilly Pharma) nachgefragt, damit ihr offizielle Informationen bekommt.

Wo liegt der Unterschied zwischen Emgality und Aimovig?

Beide Medikamente bekämpfen den gleichen „Bösewicht“: CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) wurde als ein Schlüsselmolekül in der Migräne-Attacke identifiziert. Dieser Botenstoff wird während einer Migräne-Attacke aus Nervenenden des Trigeminus-Nervs verstärkt freigesetzt.  
Galcanezumab (Emgality) soll nun CGRP direkt an sich binden und dadurch verhindern, dass er seinen Rezeptor aktiviert. Der Wirkstoff Erenumab (Aimovig) dagegen soll den Rezeptor blockieren, damit der Botenstoff sich nicht anhaften kann (hier könnt ihr mehr zu Aimovig lesen).

Die Wirkung dieser Art von Medikamenten ist prophylaktisch, also nicht für den akuten Einsatz gedacht. Sie sollen, vorbeugend eingesetzt, die Anzahl der Migränetage reduzieren.

Bei der Entstehung einer Migräne können viele Faktoren eine Rolle spielen. CGRP wurde als ein möglicher davon identifiziert, spielt aber anscheinend nicht bei allen Patienten ursächlich eine Rolle. Diese Patienten profitieren leider nicht von den neuen Medikamenten.

Wie gut wirkt Emgality?

Besonders die Studienergebnisse für Patienten mit episodischer Migräne lesen sich gut.
Es gab zwei Studien (EVOLVE 1 und EVOLVE 2) über 6 Monate mit je 858 und 915 Patienten, die vorher zwischen 4 und 14 Migränetage hatten.

  • 62,3 % (EVOLVE 1) und 59,3 % (EVOLVE 2) der Patienten hatten 50% weniger Migränetage
  • 38,8 % (EVOLVE 1) und 33,5 % (EVOLVE 2) der Patienten hatten 75 % weniger Migränetage
  • bis zu 15 % der Patienten hatten 100 % weniger Migränetage
  • 38,8 % erreichten mindestens einen migränefreien Monat

Für die Patienten mit chronischer Migräne gibt es deutlich weniger Zahlen.
Es gab eine Studie (REGAIN) über 3 Monate mit 1113 Patienten, die vorher mindestens 15 Migränetage hatten.

  • 27,6 % der Patienten hatten 50 % weniger Migräne
  • im Durchschnitt hatten die Patienten 4,8 Migränetage weniger pro Monat

Wer ist besser Emgality oder Aimovig?

Ich hätte gerne gesehen, ob sich Emgality und Aimovig in der Wirksamkeit unterscheiden. Meine Logik sagt mir: ähnliche Wirkmechanik müsste auch ähnliche Wirkung ergeben.
Aber die Zahlen, die von den Herstellern herausgegeben wurden, kann man nicht einfach so nebeneinander legen und eins zu eins vergleichen.
So sehen die Studienergebnisse bei Emgality auf den ersten Blick besser aus als bei Aimovig. Dafür hat sich der Hersteller von Emgality aber auch in der Veröffentlichung eher auf die Zahlen für episodische Migräne konzentriert und weniger auf die chronische Migräne, die grundsätzlich eher nicht so rosig aussehen. Mir kommt das ein bisschen geschönt vor.

Dann wäre da noch die Sache mit den sogenannten Super-Respondern (was für ein großartiges Wort ist das denn bitte?). Das sind die Patienten, die extrem gut auf ein Medikament ansprechen, also den maximalen Nutzen daraus ziehen.
Bei Emgality ist in dem Zusammenhang die Rede von einer hundertprozentigen Reduktion der Migränetage bei bis zu 15 % der Patienten. Bei dagegen Aimovig wird etwas amorph von einer Untergruppe gesprochen (innerhalb der Gruppe derer mit gutem Erfolg von über 50% Reduktion), die „besonders gut profitieren“.
Was soll man davon halten? Wenn Aimovig auch bei einigen Patienten eine Reduktion von 100 % erreicht hätte – also gar keine Migräne mehr – warum wird das nicht kommuniziert? Dann muss wohl Emgality besser gewirkt haben oder ist die PR Abteilung von Lilly nur besser in der Darstellung?

Ich bin mir nicht sicher. Mein Gesamteindruck ist: im Wesentlichen scheint die Erfolgsquote der Medikamente ähnlich zu sein, aber es wurden nicht die gleichen Messpunkte bei den Studien gezogen oder es wurde anders formuliert.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Das Nebenwirkungsprofil von Emgality klingt genauso paradiesisch wie bei Aimovig zur Markteinführung: leichte Irritationen an der Einstichstelle, leichte Verstopfung sonst nicht Nennenswertes.
Nur 2,5 % der Studienteilnehmer haben die Einnahme abgebrochen – zum Vergleich: bei herkömmlicher Prophylaxe (Antidepressiva und Co.) liegt die Abbruchquote bei 80%.

Aimovig ist seit November in Deutschland und etwas länger schon in den USA verfügbar, auch Emgality ist schon in den USA auf dem Markt. Also gibt es bereits etliche Rückmeldungen (für Emgality nur leider ausschließlich auf englisch) und es sieht so aus als würden im echten Leben doch noch einige Nebenwirkungen dazukommen, wenn man die Erfahrungsberichte so mit liest. Manche davon klingen auch nicht ganz so harmlos.

Natürlich muss man aufpassen: manche Patienten haben andere Begleiterkrankungen und/oder nehmen zusätzliche Medikamente, dann können die Wirkungen nicht mehr klar zugeordnet werden. Man sollte sich nicht von Einzelschicksalen verrückt machen lassen.
Auch ist es nicht immer einfach diese persönlichen Infos aus den Foren richtig einzuordnen, da sie ja nicht mit relativierenden Zahlen verbunden sind (zehn Leutchen schreiben über die Nebenwirkung, aber die hundert, die sie nicht hatten schreiben ja nicht).

Das hier kurz abzuhandeln würde der Sachen nicht gerecht werden. In ein paar Monaten kann ich euch etwas Arbeit abnehmen und einen separaten Beitrag dazu machen. Für den Beginn macht euch am besten euer eigenes Bild. Zum Einstieg gibt es von mir ein paar weiterführende Links an die Hand: hier einen für Emgality und hier für Aimovig.

Wenn ihr selber eines der neuen Medikamente nehmt und entsprechende Erfahrungen macht, habt ihr auf jeden Fall die Möglichkeit, das direkt an den Hersteller zu melden. Auch als Privatperson, nicht nur Ärzte dürfen.
Die Pharmafirmen sind verpflichtet, jede unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW), von der sie Kenntnis bekommen, aufzunehmen.
Also wenn bei euch unangenehme oder sogar gefährliche Nebenwirkungen auftreten, sollte ihr das melden und zwar hier für Emgality und hier für Aimovig.

Was kostet Emgality in Deutschland?

Eine monatliche Dosis von 120 mg kostet um 680 Euro.
Emgality ist in den Apotheken in zwei Packungsgrößen verfügbar:

  • 2 Fertigpens in einer Packung für € 1.365,72 (also € 682,86 pro Dosis)
  • 3 Fertigpens in einer Packung kosten € 2.027,36 (also € 675,79 pro Dosis)

Damit sind auch die Preise von Emgality und Aimovig so ziemlich identisch. Die Einzeldosis von Aimovig liegt bei 688 Euro (alle Preise findet ihr im Aimovig Beitrag). Ob sich in der Zukunft preislich günstige Effekte dadurch ergeben werden, dass die einzelnen Anbieter nicht ohne Konkurrenz dastehen, darüber kann man nur spekulieren.

Wie wird das Medikament eingenommen?

Die empfohlene Dosierung liegt bei 120 mg, die – wie Aimovig – alle vier Wochen gegeben werden.
Anders ist hier, dass zu Beginn der Therapie zwei Injektionen von je 120 mg zeitnah hintereinander gegeben werden. Die Injektion erfolgt per Fertigpen, den der Patient nach Erklärung durch den Arzt selber anwenden kann.

Welcher Arzt darf Emgality verordnen ?

Jeder Arzt darf – realistischerweise ist man aber sicherlich bei den Ärzten, die sich mit Migräne auskennen sollten an der richtigen Adresse, also Neurologen und Schmerzspezialisten.

Kostenerstattung durch die Krankenkassen

Ich zitiere im Folgenden die Aussage, die ich direkt von Lilly dem Hersteller von Emgality bekommen habe:
„Emgality® ist bei Marktverfügbarkeit voll erstattungsfähig und es gibt unter Berücksichtigung des allgemein geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots auch keine Verordnungseinschränkungen. Wirtschaftlich ist eine Verordnung, wenn sie ausreichend und zweckmäßig ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet.
Emgality® ist zugelassen zur Migräne-Prophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens 4 Migränetagen pro Monat.
Die Verordnung kann im Rahmen der Indikation in Erwägung gezogen werden bei Migränepatienten mit Einschränkungen der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, die auf konventionelle medikamentöse Behandlungsoptionen zur Migräne-Prophylaxe nicht angesprochen haben, diese nicht vertragen haben oder dafür nicht geeignet sind.“

Mein Kommentar dazu:
Es ist im Prinzip ähnlich wie bei der Kostenerstattung von Aimovig:
Bei Patienten, die mehr als vier Migränetage im Monat haben, müssen die Krankenkassen die Kosten erstatten, wenn der Arzt die Verordnung des Medikaments für angezeigt hält.

Und das ist genau der Knackpunkt. Denn in der Realität sieht es so aus, dass längst nicht alle Ärzte (also tatsächlich eher die wenigsten) bereit sind, diese neuen Medikamente zu verschreiben, weil sie sich vor Regressforderungen fürchten.

Bis zu einem gewissen Grad ist das verständlich. Es muss sich alles rechnen. Wie angemessen die Preise sind, die Lilly und Novartis (Hersteller von Aimovig) angesetzt haben, kann ich schwer beurteilen, aber sie sind sehr hoch im Vergleich zu den herkömmlichen Prophylaxe-Medikamenten. Das Gesundheitssystem muss diese Kosten auch tragen können.
Trotzdem sollte Migränikern, die seit Jahren leiden und schon viele erfolglose Prophylaxen hinter sich haben, unendlichen Leidensdruck haben, arbeitsunfähig sind und und und, ein Versuch mit diesen Medikamenten nicht vorenthalten bleiben.

Doch ihr wisst ja jetzt, was euer Recht ist und könnt dementsprechend handeln.
Wenn ihr herausfinden könnt, was die größte Befürchtung eures Arztes ist, könnt ihr vielleicht Abhilfe schaffen. Falls der Arzt unsicher ist, wie ordnungsgemäß dokumentiert werden muss oder bei andere Rückfragen, könntet ihr die Hotlines oder Kontaktadressen des Herstellers mitbringen. Darüber kann der Arzt Vorlagen und anderes Info-Material bekommen (an Patienten wird das nicht abgegeben).
Ihr könntet auch versuchen eine Kosten-Zusage von eurer Krankenkasse zu bekommen (am besten schriftlich) und die zum Arzt mitnehmen.
Außerdem bleibt Euch immer die Möglichkeit, euch an einen anderen Arzt zu wenden, was natürlich leichter gesagt ist, als getan, ich weiß.

Was können nun die neuen Medikamente?

Wenn ich euch Tipps gebe, wie ihr trotz Widerstand an ein Rezept für ein CGRP Medikament kommen könnt, muss ich zum Abschluss vielleicht nochmal etwas klarstellen;
Das ist keine Aussage von mir über die Qualität des Medikaments. Ich will euch damit nicht zur Einnahme von Aimovig oder Emgality zuraten.

Mir geht es dabei um das Prinzip, dass auch Kassenpatienten ein Recht auf das Medikament ihrer Wahl haben. Genauso wie ein Arzt das Recht haben sollte, ein Medikament verschreiben zu können, wenn es für den Patienten wirklich Hilfe verspricht, ohne dass er um seine Existenz fürchten muss.

Zum Thema wie viel Wunder man sich von den neuen Medikamenten erwarten darf, habe ich noch keine abschließende Meinung.
Dazu muss man sicherlich noch ein bisschen abwarten und die Zeit und die Wirkung für sich sprechen lassen.
Aber es gibt schon etliche Berichte, die von neuer Lebensqualität sprechen, die sich sehr ermutigend anhören. Ich habe gerade wieder einen gelesen und das macht mich sehr sehr froh!

Mir macht ehrlich gesagt schon das Vorhandensein der neuen Medikamente gute Laune. Mir gefällt es, dass sich etwas in dieser Richtung tut. Ich mag den Ansatz – man hätte sich ja beispielsweise auch ein noch schnelleres Triptan ausdenken können, was sich leichter erklären und besser unters Volk bringen lässt.
Es kommt mir so vor, als ob in einem Bereich in dem gefühlt jahrelang nur jede Menge unwissende Ärzte und dafür umso mehr wissende Schmerzmittelfirmen unterwegs waren, neue Spieler dazukommen.

Zu guter Letzt ist es vielleicht eine gute Gelegenheit für einen neuen Dialog zum Thema Migräne.
Wie schlimm sind wir von der Migräne betroffen – auch wirtschaftlich? Rechnet sich der Einsatz auch von teurer Medikation vielleicht doch, wenn die Abeitsausfallquoten der Betroffenen mal realistisch eingeschätzt werden würden?
Denn da muss man sich nichts vormachen, dem wirtschaftlichen Schaden der Krankheit entgegenzuwirken, ist wohl das schlagende Argument, das langfristig den Einsatz von teuren Medikamenten rechtfertigen wird – und nicht das Beenden von Leid oder die Wiederherstellung von Lebensqualität. Aber das könnte für uns ja trotzdem dabei herauskommen 🙂 .

Kleiner Nachtrag – Ein Praxistipp:

Weil die Hotlines der Hersteller diese Frage anscheinend am Häufigsten gestellt bekommen: „Kann ich mein Medikament mit in den Urlaub nehmen?“

Hitzeverträglichkeit der CGRP Medikamente

  • Aimovig (Erenumab) ist bei Raumtemperatur (25°C) bis zu 14 Tage lang haltbar
  • Emgality (Galcanezumab) ist 7 Tage lang haltbar