Mit ständigen Schmerzen hat man einen hohen Leidensdruck. Man wünscht sich nur noch, dieser Belastung schnell zu entkommen. Die Kraft für aufwändige Behandlung scheint kaum noch vorhanden.

Leider gibt es für chronisch Schmerzkranke keine Sofortlösung, die von einem Tag auf den anderen schmerzfrei macht. Tatsächlich ist ein umfangreicheres Programm nötig. Trotzdem braucht ihr vor dem groß erscheinenden Berg nicht zu verzweifeln. Habt ihr erstmal den richtigen Ansatz gefunden hat, kann es recht schnell deutliche Besserung geben. Außerdem hilft es schon, zu merken, endlich auf einem erfolgversprechenden Weg zu sein. Es gibt einem einen Teil der Kontrolle zurück, die man schon glaubte verloren zu haben. Das macht einen großen Unterschied, glaubt mir.

Ich versuche mal möglichst kurz meine Haupt-Empfehlungen zusammenzufassen, für diejenigen, die noch ganz am Anfang stehen.

  1. Stand der Dinge für sich klären: Wie schlecht geht es mir wirklich?
  2. Festlegung eines begleitenden Arztes
  3. Ausschluss einer anderen Primär-Erkrankung/Akzeptanz des Schmerzes als Primär-Erkrankung
  4. Bereitschaft zum Kürzertreten
  5. Habe ich einen Medikamenten Übergebrauchs-Kopfschmerz auch genannt MÜK?
  6. Einstellung der Medikamente
  7. Bewegungsprogramm
  8. Entspannungstechniken lernen
  9. Verhaltenstherapie
  10. Experte werden


Das hier wäre meine Checkliste der wichtigsten Schritte für den Schmerzgeplagten in Kürze. Im Folgenden versuche ich das Ganze so kurz wie möglich zu erläutern; für die meisten Themen wird es nach und nach separate Beiträge geben, wenn ihr mehr darüber wissen wollt.

Status quo: Wie schlecht geht es mir wirklich? Habe ich nur manchmal Kopfschmerzen oder Migräne oder bin ich schon chronisch?

Die Einstellung zu meiner Krankheit hat sich als entscheidend erwiesen. Es heißt ja „Man muss seine Krankheit annehmen“. Das hört sich erstmal esoterisch an, daraus ergibt sich aber eine pragmatische und zielorientierte Vorgehensweise. Es war sehr bedrückend mir einzugestehen, dass ich durch meine Schmerzen in vielen Bereichen schon stark eingeschränkt war und dieser Zustand sich nicht von allein erledigte. Obwohl meine Leistung auf der Arbeit schon darunter litt und ich in der Freizeit eigentlich fast immer Kopfschmerzen hatte-  plus regelmässige Migräneanfälle – hätte ich mich nicht als chronisch schmerzkrank eingestuft. Sobald ich mir den Ernst der Lage ehrlich vor Augen geführt, war auch klar, dass ich nicht auf die Art weitermachen konnte und mich ausführlicher um das Thema kümmern musste. Wichtig ist die Schmerzen zu protokollieren – ob ihr einen offiziellen Kopfschmerz-Kalender führt (kann man sich im Internet problemlos besorgen) oder euch anderweitig Notizen macht – Hauptsache ihr habt am Ende einen objektiven Überblick über eure Schmerztage.
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Festlegung eines begleitenden Arztes

In meinem Fall war es mein Hausarzt/ jetzt Hausärztin. Es ist nicht leicht, den richtigen Arzt zu finden, aber nicht unmöglich – auch wenn es manchmal so scheint. Wenn ihr kein gutes Gefühl mehr bei eurem Arzt habt, traut euch einen anderen zu suchen. Das ist gut investierte Energie, er wird euch schließlich eine Weile begleiten. Da ihr oft genug in seiner Praxis sein werdet, wenn ihr auf dem Zahnfleisch geht, können neben der Qualität des Arztes zusätzlich auch ganz praktische Erwägungen eine Rolle spielen. Für mich war es unter anderem wichtig, dass die Sprechstundenhilfen freundlich und verständnisvoll sind und es einen Raum gibt, in dem ich in Notfall auch mal liegend warten kann. Wie ihr den fachlich richtigen Arzt findet, habe ich in diesem Beitrag beschrieben. Auf jeden Fall würde ich niemals komplett in Eigenregie, also ohne ärztliche „Oberaufsicht“ handeln.
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Ausschluss einer anderen Primär-Erkrankung / Akzeptanz des Schmerzes als Primär-Erkrankung

Bei den wenigsten ist der Schmerz das Symptom einer anderen Erkrankung oder eines anderen körperlichen Problems, das sich schnell beheben lässt. Zum Beispiel haben über 95% aller Spannungskopfschmerzen überhaupt nichts mit Nackenverspannungen oder ähnlichem zu tun, auch wenn das gerne mal als erste Vermutung ausgesprochen wird. Glücklicherweise ist auch eher selten ein Gehirntumor Ursache von starken Kopfschmerzen. Trotzdem muss das natürlich zuerst unbedingt ausgeschlossen werden. Besonders wenn Schmerzen plötzlich öfter auftreten und schnell an Intensität zunehmen, während man vorher selten Kopfschmerzen hatte.
Habe ich eine ernsthafte neurologische Erkrankung, Probleme mit den Augen, einen ständig entzündeten Zahn? Allein schon zu meiner Beruhigung würde ich das immer zuerst abklären lassen. Dafür sind tatsächlich auch gar nicht so viele unterschiedliche Untersuchungen nötig, wie man vielleicht denkt. Ich habe das damals unter der Koordination meines Hausarztes in einer konzertierten Aktion gemacht. Er hat mich an den jeweiligen Spezialisten überwiesen, die Befunde gesammelt und ausgewertet. Diese Unterlagen brauchte ich dann auch kurz danach, um mich für eine Schmerzklinik zu „bewerben“.

Wenn man das nun hinter sich hat und die Untersuchungen ohne schlimmen Befund verlaufen sind, ist es bei den meisten so, dass man sich der unangenehmen Wahrheit stellen muss: Der Schmerz ist die Krankheit. Das ist erstmal entmutigend, denn ab jetzt gibt es keinen schnelle Lösung, keine ultimative Therapie und vor allen Dingen keine endgültige Heilung.

Auch ich hatte, wie sicher viele von euch auch, vorher jahrelang nichts unversucht gelassen, um die vermeintliche Ursache meiner Kopfschmerzen zu finden: Neuraltherapeuten, Osteopathen, Heilpraktiker, Endokrinologen… die Liste könnte ich noch sehr viel länger fortführen. Immer habe ich Energie und oft auch nicht wenig Geld investiert, in der Hoffnung die Ursache der Schmerzen zu finden und zu beseitigen. Von diesem Lösungsansatz konnte ich mich nur schwer verabschieden. Die Alternative hörte sich ja auch nicht besonders attraktiv an: Der Schmerz wird bleiben, ich muss nur lernen mit ihm umzugehen. Klingt erstmal nicht danach, als ob man sich demnächst mal wieder gut fühlen könnte.

Tatsächlich gab es aber viele Möglichkeiten meinen Zustand zu bessern und auch deutlich zu bessern, sobald ich mich erstmal von dem Wunderheilungsgedanken verabschiedet hatte.
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Bereitschaft zum Kürzertreten: Krankschreibung/Arbeitszeitverkürzung

Als ich damals angefangen habe, mich intensiver um Hilfe gegen die Kopfschmerzen und Migräne zu kümmern, war ich schon sehr angeschlagen. Ich wäre gar nicht mehr in der Lage gewesen, noch viele Arzttermine neben meiner Arbeit wahrzunehmen. So habe ich mir zu Beginn Urlaub dafür genommen und zwar am Stück: zwei Wochen für das Projekt „Heilung meines Kopfs“. Das ganze geschah auf Anraten meines Vorgesetzten, der mich immer sehr unterstützt hat. Später war es für mich ein zögerlicher Prozess, mir regelmässig Krankschreibungstage zu erlauben. Nur besonders bei Migräne kommt man schnell in einen Teufelskreis, wenn man sich nötige Auszeiten verwehrt und unter Medikamenten mit Volldampf weitermacht. Die nächste Attacke kommt nur umso schneller und man ist immer öfter nicht mehr wirklich einsatzfähig.

Nach der Geburt meiner Tochter habe ich in Teilzeit gearbeitet. Als später die Betreuungssituation erlaubt hätte meine Arbeitszeit wieder aufzustocken, habe ich mich dagegen entschieden. Ehrlich gesagt, hatte ich auch gar nicht die Wahl – mehr Arbeitsstunden hätte ich mit meinem Kopf nicht gepackt. Das ist natürlich ein abendfüllendes Thema. Mir ist klar, dass dabei finanzielle Zwänge und eigene Ansprüche an Selbstverwirklichung eine große Rolle spielen. An dieser Stelle nur soviel: wenn der Leidensdruck so groß ist und der Verlust der Lebensqualität unglücklich macht, muss man auch einschneidenden Veränderungen in Erwägung ziehen. Wie auch immer die aussehen. Bestimmt gibt es auch im Privatleben Möglichkeiten Pflichten zu reduzieren. Aber damit sind wir schon fast beim Thema Verhaltenstherapie, also mehr dazu weiter unten.
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Habe ich einen Medikamenten Übergebrauchs-Kopfschmerz auch genannt MÜK?

Das hat nichts mit Tablettenabhängigkeit oder Entzugserscheinungen zu tun. Es ist fast noch schlimmer: nimmt man zu häufig Kopfschmerz- oder Migräne-Akutmedikation ein, löst das neue Kopfschmerzen aus und zwar amtliche. Bei mir und vielen anderen Leidensgenossen zeitweise ein noch viel größeres Problem als die ursprünglichen Kopfschmerzen. Der Aufenthalt in einer Schmerzklinik startet zum Beispiel für die meisten mit einer Medikamentenpause, um erstmal den MÜK loszuwerden. Eigentlich hätte diese Problematik schon fast einen eigenen Blog verdient, bekommt bei mir aber zumindest einen eigenen Beitrag. Ob man MÜK hat kann man relativ schnell herausfinden. Bloß wie man ihn loswird und in Zukunft vermeidet steht auf einem anderen Blatt. Ich kann gar nicht genug davor warnen, dieses Thema zu unterschätzen! Ich hätte mir wirklich viele Jahre des Leids ersparen können, wenn ich hierüber besser bescheid gewusst hätte. Bitte lest unbedingt hier weiter…
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Einstellung der Medikamente

Trotz MÜK Bedenken, ohne wirksame Akutmedikation ist es wohl kaum zu schaffen. Was dieses Thema angeht seid ihr natürlich auf die gute Zusammenarbeit mit dem Arzt angewiesen. Trotzdem würde ich mich gerade hierbei immer zusätzlich selbst ausführlich informieren. Zu wissen, was bestimmte Medikamente bewirken, kann auch (vielleicht sogar nicht medikamentöse) Alternativen aufzeigen. Außerdem möchte ich über mögliche Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten am besten selber den Überblick haben.

Auf den Internetpräsenzen der Schmerzklinik Kiel und der Berolina Klinik findet ihr wertvolle Infos über die verschiedenen Medikamente bei Kopfschmerzen und Migräne im Akutfall, auch der richtige Zeitpunkt der Einnahme wird beschrieben. In den Foren im headbook von Kiel kann man sich unter anderem über die Erfahrungen anderer mit bestimmten Medikamenten schlau lesen.

Neben der Akutmedikation gibt es natürlich noch das Gebiet der medikamentösen Prophylaxe. Auch ein Thema über das man sich selber schlau machen sollte. Es werden unter anderem Betablocker oder Antidepressiva eingesetzt. Da diese Medikamente zum Teil ausgeprägtere Nebenwirkungen haben und die Wirkweise erklärungsbedürftig ist, solltet ihr euch auf jeden Fall selber informieren. Gerade bei Antidepressiva gibt es doch viele Horrorvorstellungen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Ich mag ohnehin nicht regelmäßig Medikamente einnehmen, über die ich nicht genug weiß. Wenn ich bei einem Medikament ein gruseliges Gefühl habe, kann es mir auch nicht wirklich helfen, bilde ich mir ein. Ich möchte auf diesem Gebiet ungern Empfehlungen aussprechen, da ich keine Medizinerin bin.Vielleicht schreibe ich demnächst nochmal einen Beitrag über meine Erfahrungen, aber bis dahin hilft euch auch auf jeden Fall das headbook weiter.

Idealerweise kann man mindestens die letzten beiden Punkte in eine Spezialklinik erledigen. Für mich ist die Schmerzklinik in Kiel die erste Adresse! Der Aufenthalt dort war damals meine Rettung. Auch in der Berolina-Klinik in Bad Oeynhausen (allerdings eine Reha-Klinik) gibt es ein gutes Kopfschmerzprogramm. Das sind die beiden Kliniken, die ich persönlich weiter empfehlen kann.

Ihr könnt das Ganze natürlich in Eigenregie mit eurem Arzt des Vertrauens zu Hause machen, wenn ihr nicht in eine Klinik gehen möchtet oder nicht die Möglichkeit dazu habt. Dann ist natürlich von euch mehr Eigeninitiative gefragt. Kein Arzt kann auch euch ambulant so betreuen, wie es stationär möglich ist und die Spezialisten sitzen nunmal recht gesammelt nur an wenigen Orten in Deutschland. Das erfordert, dass ihr euch von Anfang viel selber schlau macht, was ja auch möglich ist. Es gibt hier nicht den einen richtigen Weg, der für alle gilt. Ihr müsst es so machen, wie es für euch funktioniert.

Trotzdem möchte ich euch auf jeden Fall die Angst vor einer Klinik nehmen:

Ich bin damals nicht gern und nur unter hohem Leidensdruck in eine Klinik gegangen. Ich kann nicht gut von zu Hause weg sein und bin auch ganz empfindlich was das Ambiente und die Stimmung angeht. Bei jedem Klinik-Aufenthalt habe ich vor Anreise meinen armen Mann verdonnert, mich jedes Wochenende besuchen zu kommen, damit ich nicht vor Heimweh sterbe. Würde ich jetzt nochmal in eine Klinik gehen, bräuchte ich das nicht mehr, denn tatsächlich habe ich mich in beiden Kliniken erstaunlich wohl gefühlt. Die Isolation, die man durch die Schmerzkrankheit hat, ist für eine zeitlang aufgehoben. Man kann sich vorher nicht vorstellen, wie gut es tut gut zu hören, dass man nicht alleine ist. Das Verständnis der Mitpatienten, Ärzte, Therapeuten und Schwestern hilft, es tröstet ungemein. Ihr müsst euch nicht mehr erklären oder verstellen, weil dort jeder weiß, wie es ist Kopfschmerzen, Migräne, Clusterkopfschmerz oder neuropathische Schmerzen zu haben. Man wird als legitim Kranker behandelt, ohne skeptischen Blick, ob man sich vielleicht anstellt oder etwas einbildet. Man muss wirklich keine Angst vor einem solchen Klinik-Aufenthalt haben!
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Sport machen

Das ist etwas, was der Arzt seinen Patienten in vielen Fällen empfehlen wird. Die positive Wirkung von Sport ist vielfältig. und natürlich sollte am besten jeder regelmäßig Sport machen – für das eigene Wohlbefinden.

Doch warum ist das gerade so wichtig für den Schmerzpatienten? Bitte lest in diesem Beitrag weiter, um zu erfahren, warum Sport extrem hilfreich ist, welche Sportarten für Schmerzpatienten am besten geeignet sind und wie ihr das richtige Sportprogramm für euch finden könnt.
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Entspannungstechniken lernen

Ich konnte von Anfang an wenig damit anfangen, wenn mir jemand gesagt hat, Stress wäre die Ursache meiner Kopfschmerzen oder Migräne-Attacken. Die Lösung wäre also, den Stress zu reduzieren. Tatsächlich aber fühlte ich mich gar nicht so gestresst – auf jeden Fall nicht mehr gestresst, als die Leute um mich herum, die alle keine Migräne oder ständige Kopfschmerzen vom Spannungstyp hatten. Was genau zählt denn zum Stress, jegliche Anstrengung, auch wenn ich mich dabei wohlfühle? Und was genau davon, muss ich vermeiden? Das war mir als Anweisung gar nicht verständlich genug.

Als man dann in der Klinik von der Wichtigkeit des Erlernens eines Entspannungsverfahrens anfing, habe ich daher ehrlich gesagt innerlich mit den Augen gerollt, weil sich das für mich nach einem ähnlichen Ansatz anhörte. Ich fand mich eigentlich ziemlich entspannt, zumindest in Anbetracht der Umstände, und fühlte mich überhaupt nicht angesprochen. Bis dann einer der Ärzte einen Graphen unserer Gehirnaktivität an ein Whiteboard zeichnete und die dahinterstehende Problematik speziell für Migräniker, aber auch für Kopfschmerzpatienten erklärte. Im Prinzip ging es darum, dass die Gehirne von Migränikern durch Reize stärker belastet werden als die „normaler“ Menschen, was irgendwann unweigerlich zu einer Migräneattacke führen muss. Entspannungstechniken können da fast mechanisch wirksam dagegenhalten und man kann die Anzahl seiner Attacken damit deutlich reduzieren. Eine ausführlichere Beschreibung von dem , was der Arzt uns an dem Tag erklärt hat, und wie Entspannungstechniken dabei wirken, werde ich in Kürze in einem eigenen Beitrag bringen.

Für mich war das der totale Aha-Moment in mehrerer Hinsicht. Der Sachverhalt an sich, erklärte mir viel über die Entstehung einer Migräne. Ich mir konnte daraus gleich mehrere Strategien zur Attackenreduzierung ableiten. Darüber hinaus wurde mir aber vor allem auch klar, dass es so ungemein wichtig war, möglichst viel über die Hintergründe meiner Schmerzen zu lernen. Erstens: sobald man weiß, warum etwas hilft, scheint es noch besser zu helfen. Zweitens: es motiviert anstrengenderes Maßnahmen durchzuhalten und richtig zu machen, wenn man weiß, was sie bewirken. Und drittens: wenn man die Mechanik hinter einer Sache verstanden hat, kann man sich Alternativen überlegen, die für einen selber funktionieren, wenn man dem empfohlenen Weg so gar nichts abgewinnen kann. Ich konnte zum Beispiel mit der Jacobson Methode nicht so viel anfangen und fand es unrealistisch sich, die geforderten 20 Minuten zweimal täglich für ein Entspannungstraining zurückziehen. Beim Biofeedback fand ich dann aber heraus, dass ich Entspannung am besten durch kontrollierte Atmung erreiche. Seitdem kann ich stattdessen die Feueratmung vom Yoga benutzen und mich einfach mehrmals pro Tag kurz entspannen. Erlaubt ist, was funktioniert.
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Verhaltenstherapie machen

Die Schmerztherapeuten haben herausgefunden, dass bei Schmerzpatienten Verhaltenstherapien extrem wirksam sind – und zwar an Platz eins aller Maßnahmen. Ja – auch vor Medikamenten.

Für mich hat sich das damals wie eine realitätsferne Möglichkeit angehört. Wie soll ich sowas umsetzen, wenn ich wegen der Schmerzen keine zusätzlichen Termine mehr schaffe? Woher nehme ich überhaupt nur die Energie mir einen Therapeuten zu suchen? Zumal es ja nicht einfach ist, einen verfügbaren und dann noch einen passenden Therapeuten zu finden. Das hörte sich für meinen akut geplanten Kopf wie ein nicht zu überwindendes Hindernis an.

Mittlerweile könnte ich mir vorstellen, dass der erste Knackpunkt bei der Verhaltenstherapie das Annehmen dieser Tatsache ist: meine Migräne und meine Kopfschmerzen sind meine primäre Erkrankungen. Die Suche nach einer Ursache, einer anderen dahinterstehenden Krankheit bringt mich nicht weiter. Es gibt keine kurzfristige Heilung. Ich muss mein Leben der Erkrankung entsprechend umstellen und muss dabei auch Einschränkungen akzeptieren, so wie es zum Beispiel auch ein Diabetiker tun muss.

Die Verinnerlichung dieses Gedankens ist ein notwendiger Schritt. Es ist der Ausgangspunkt des mehrgleisigen Programms, das zur Reduzierung der Schmerzen nötig ist. Das ist vielleicht auch der Grund, warum in einer Klinik und beim Schmerztherapeuten am liebsten sofort Verhaltenstherapiestunden angesetzt werden. Soweit kann man aber vielleicht auch ohne Therapie schon kommen. Die Schmerzmediziner wissen auch, das es wichtig ist, erstmal die körperlichen Voraussetzungen für eine Verhaltenstherapie zu schaffen. So lange ich von den Schmerzen noch zu stark eingenommen bin, ist mit der Aufnahmefähigkeit für die meisten Maßnahmen ja nicht weit her. Dafür sollten euch im Idealfall die Medikamente, der Sport und die Entspannungstechnicken so aufbauen, dass ihr wieder in der Lage seid, euch um euren Umgang mit eurer Krankheit Gedanken zu machen.

Trotzdem gibt es einen wichtigen Grund mit einer Verhaltenstherapie oder einer ähnlichen Methode nicht allzu lange zu warten: Ohne eine Ausrichtung eures Lebens, die berücksichtigt, dass ihr eine Schmerzproblematik habt, geht es nicht. Eine Verhaltenstherapie hat einen ganz pragmatischen Ansatz und hilft euch bei dieser Umstellung. Man muss sich also nicht jahrelang weiterhin unter Schmerzen zum Therapeuten schleppen und eine Analyse der Kindheit machen. Es geht eher um ganz praktisch orientierte Methoden. Wie lerne ich kürzer zu treten? Wo überfordere ich mich selbst? Wie grenze ich mich den Ansprüchen anderer gegenüber ab? Solche und ähnliche Fragen müsst ihr für euch beantworten können. Alles unter dem Motto „Wie muss ich mich Verhalten, damit ich möglichst selten Schmerzen habe?“ Nun könnte man sagen, das ist eine unbequeme und anstrengende Methode. Aber ich versuche es eher so zu sehen: es gut ist zu wissen, das ich selber Einfluss auf meinen Zustand nehmen kann. Ich bin meiner Krankheit nicht hilflos ausgeliefert.
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Experte werden

Das ist eigentlich nicht ein einzelner Programmpunkt auf eurer Liste, den ihr zum Schluss abhaken müsst. Ich wollte das nur nicht an den Anfang setzen, weil es sich nach viel Arbeit anhört. Tatsächlich ist es ein Prozeß, durch den ihr fast automatisch geht, wenn ihr einen ähnlichen Therapieansatz wie ich wählt. Diese Idee wird mit anderen Worten von vielen Spezialisten ausgedrückt. Prof. Dr. Hartmut Göbel Chefarzt der Klinik in Kiel sagt zum Beispiel: „Der Patient muss zum Anwalt seiner Krankheit werden“. Auch „man muss zum Experten für seine Krankheit werden“ habe ich schon oft gehört.

Dahinter steckt für mich zum Einen der Gedanke der Eigenverantwortung: Ich bin mit dafür verantwortlich, wie es mir geht – ohne dass ich mein Verhalten anpasse, wird es nicht besser werden. Zum Anderen: Ich muss mich selber vertreten. Niemand kennt meinen Körper besser als ich. Und ich muss mit den Konsequenzen jeder therapeutischen Maßnahme leben, besonders was die Einnahme von Medikamenten angeht. Auch wenn der Arzt die Fachkenntnis hat, sollte meine Therapie nicht besser das Ergebnis einer Zusammenarbeit sein?

Aber vor allem geht es natürlich auch darum, sich Wissen über eure Krankheit anzueignen. Das Wissen, das ihr benötigt, um eure Schmerzen erfolgreich anzugehen. Es gibt qualitativ hochwertige Foren, wo ihr euch mit Leidensgenossen austauschen könnt. Die Schmerzklinik in Kiel bietet regelmässige Chattermine mit Fachärzten an. Lest Bücher. Wenn ihr in einer Schmerzklinik seid, nehmt jeden Vortrag mit, der angeboten wird. Es gibt viele Möglichkeiten. Ich habe mir vorgenommen hier auf jeden Fall eine Linksammlung und Literaturtipps anzubieten.

Natürlich ist es schwierig sich in einer akuten Schmerzphase noch viel um so etwas zu kümmern. Deswegen kann ich nur empfehlen, nutzt die guten oder weniger schlimmen Phasen, um euch vorzubereiten. Auch wenn ihr euch dann gerne mal nicht euren Schmerzen befassen möchtet, was ich gut verstehen kann und von mir selber kenne.

Ihr könnt es schaffen.
Es gibt für jeden einen Weg. Verzweifelt nicht!