Obwohl Kopfschmerzen und Migräne bei den Volkskrankheiten auf den ersten Plätzen sind, gibt es bisher nur wenige Spezialisten auf diesem Gebiet. Wie also findet ihr den Arzt, der euch wirklich weiterhelfen kann?

Die Fachärzte vor Ort zu denen man instinktiv gehen würde, wissen oft erstaunlich schlecht bescheid. Das ist zumindest meine persönliche Erfahrung, deckt sich aber mit dem was mir andere Leidensgenossen berichtet haben.

Besonders Kopfschmerzen werden immer noch oft nicht als Primärerkrankung angesehen, sondern als Symptom einer anderen Erkrankung. So kann es gerne mal passieren, dass man von einem Arzt zum anderen überwiesen wird, auf der Suche nach der vermeintlichen Ursache der Kopfschmerzen. Wenn dabei keiner der Ärzte einen Gesamtüberblick über die Behandlung behält, ist die endlose Odyssee vorprogrammiert.

Ich habe mich, wie sicher viele andere auch, lange mit der Suche nach den Ursachen meiner Kopfschmerzen beschäftigt. Manche der daraus resultierenden Maßnahmen haben kurzfristig vermeintlich geholfen (immer schwierig genau zu sagen, es gibt dabei eine nicht zu unterschätzende psychologische Komponente), manche waren komplett wirkungslos, manches hat es sogar schlimmer gemacht (auch schwierig genau zu sagen). Vom Neurologen, HNO Arzt, Endokrinologen über Chraniosachraltherapeuten bis hin zu Heilpraktikern verschiedener Ausrichtungen habe ich sicherlich alles Denkbare durch.

Aber auch bei Migräne sieht es oft nicht besser aus. Obwohl mittlerweile als eigenständige Erkrankung akzeptiert, scheint es kaum einen Arzt zu geben, der sich mit Anfallsmedikation und Möglichkeiten der Prophylaxe auskennt. Das ist aber genau das, was ein Migräniker mit häufigeren Attacken dringend braucht, besonders um eine Verkomplizierung der Migräne zu vermeiden.

Fairerweise muss man sagen, dass sich in den letzten paar Jahren schon etwas getan hat. Als meine Tochter kürzlich wegen starker Kopfschmerzen und Verdacht auf Meningitis in der Klinik unserer Stadt gelandet ist, habe ich bei meinen Gesprächen mit den Ärzten dort gemerkt, dass es ein neues Basiswissen zur Kopfschmerztherapie gibt. Trotzdem ist das nicht zu vergleichen mit dem Wissensstand, den zum Beispiel die Ärzte der Schmerzklinik Kiel vor über zehn Jahren hatten, als ich dort stationär behandelt wurde.

Was also tun?

Ich habe für mich einen Weg gewählt, der mir immer etwas unorthodox vorkam, mir aber kürzlich von dem Chefarzt einer Reha-Klinik mit Schwerpunkt Kopfschmerzen und Migräne indirekt bestätigt wurde. Auch ihm habe ich die Frage gestellt: Wie finde ich einen guten Spezialisten? Welches ist der richtige Facharzt?
Seine Antwort war: „Die Fachrichtung des Arztes spielt eigentlich keine Rolle. Wichtig ist, dass er interessiert ist! Er muss offen sein und sich selber auf dem Laufenden halten. Es gibt keine offiziellen Kopfschmerzspezialisten. Suchen Sie sich einen Arzt, der neugierig ist.“

Diesen Ansatz würde ich durch folgenden Rat ergänzen: Man muss zum Experten der eigenen Krankheit werden. Nichts ersetzt hier die Eigenintiative. Kein Arzt hat die Möglichkeit sich soviel Gedanken über eure Behandlung zu machen und kennt sich so gut mit eurem Körper aus wie ihr. Man muss sich selber informieren und selber Strategien entwickeln oder zumindest Richtungen vorgeben, wie ihr euch die Behandlung vorstellt.

Daher gehe ich folgenden Weg und das ist auch meine Empfehlung an Euch: man suche sich einen netten einfühlsamen offenen Arzt (in meinem Fall mein toller Hausarzt und nachdem er verdient in Rente gegangen ist, seine fast noch tollere Nachfolgerin) und gehe den Weg mit ihm oder ihr gemeinsam.
Meistens läuft es so, dass ich eigenständig recherchiere, bis ich eine Idee habe, welchen Weg ich gerne gehen möchte (mache ich eine Medikamentenpause mit Cortisonunterstützung, brauche ich ein anderes Triptan, will ich Hormone ausprobieren) und meine Ärztin unterstützt mich dann dabei.
Der Schlüssel ist, dass sie keine Krise bekommt oder sich in ihrer Kompetenz bedroht fühlt, wenn der Impuls von mir kommt. Und ich dagegen fühle mich sicher, weil ich Ihrer Fachkenntnis vertraue. Ganz abgesehen davon, dass bestimmte Medikamente ohnehin ohne ärztliches Rezept nicht zu bekommen sind, würde ich niemals ohne ärztliche Oberaufsicht verschiedene Medikamente ausprobieren.

Es gibt natürlich auf den einschlägigen Kopfschmerz- und Migräne -Websiten Listen mit Schmerztherapeuten, die weiterhelfen sollen. So gibt es zum Beispiel über die Techniker Krankenkasse eine Liste mit Schmerztherapeuten, die an einem speziellen Kopfschmerzprogramm in Zusammenarbeit mit der Schmerzklinik beteiligt sein sollen. Das hört sich natürlich erstmal gut an, ist aber nicht immer die Rettung. Zum einen gibt es diese Therapeuten häufig nur in Stadtgebieten. wenn man auf dem Land wohnt, hat man da schon ein Problem.  Zum anderen sagt diese Liste natürlich nichts über die Qualität der angebenen Ärzte aus.

Ich habe mir vor zwei Jahren nach einer unerfreulichen Erfahrung die Frage gestellt, wie diese Liste zustande kommt. Damals wurde meine Migräne sprunghaft schlimmer und trat immer öfter auf, bis ich irgendwann einen Migräne-artigen Dauerschmerz hatte und nichts mehr ging. hatte Zuvor hatte ich es nach einem Aufenthalt in der Schmerzklinik Kiel so um die zehn Jahren geschafft, meine Migräne einigermaßen gut in Balance zu halten. Als nun diese Verschlimmerung eintrat, recherchierte ich im Internet und traf dabei auf das obig erwähnte Programm meiner Krankenkasse. Ich machte sofort einen Termin bei einem Schmerztherapeuten von dieser Liste. Da das Wissen aus Kiel mir schon mal so toll geholfen hatte, schien mir dies eine gute Lösung, ohne erneut in die Klinik gehen zu müssen. Bei diesem Arzt war ich dann ungefähr drei Monate in Behandlung. Der Arzt war weder besonders sympathisch noch besonders empathisch, aber da er angeblich Teil des Programms von Kiel war, ließ ich mich davon nicht abschrecken und setzte dafür auf seine Fachkenntnis. Allerdings fühlte ich mich eigentlich von Beginn an hängengelassen, weil der Therapeut sich ausschließlich auf die langfristig hilfreiche Therapie konzentrierte und mir für den akuten katastrophalen Zustand überhaupt keine Vorschläge machen konnte. Also probierten wir zwei Antidepressiva aus, von denen ich das erste ganz schlecht vertrug und das zweite leider nur wenig Wirkung zeigte. Als ich schließlich nicht mehr konnte, sprach ich den Arzt auf Medikamente an, die ich aus Kiel kannte, worauf er sehr merkwürdig reagierte. Bei dem anschließenden Eklat stellte sich heraus, dass er mit den Methoden aus Kiel nicht konform ging und an dem Programm gar nicht teilnahm, weil ihm der Papier-Aufwand dabei zu hoch war. Dass er mir das nicht hatte mitteilen können, als ich das erste mal in seiner Praxis war und gesagt hatte, dass ich genau wegen dieses Programms bei ihm war, habe ich bis heute nicht verstanden.

Bei meinem zweiten Anlauf hatte ich Glück und habe einen kompetenten Schmerztherapeuten in der Nähe gefunden.Bei uns in der Stadt gibt es eine sehr gute Praxis, mit sehr sympathischen und verständnisvollen Ärzten, die sich viel Zeit nehmen. Dort konnte ich die Medikamente besprechen und Biofeedback-Termine bekommen. Aber auch diese Behandlung ersetzt nicht die Eigeninitiative. Obwohl ich zum Beispiel mehrfach nach Verhaltenstherapie gefragt habe, hieß es immer, ich wäre schon auf der Warteliste für die praxis-eigene Schmerztherapie-Gruppe. Was soll ich sagen? Ich warte heute noch. Um diesen Teil muss ich mich also selber kümmern und Alternativen ausloten.

Einer der Leitsätze der Kopfschmerzspezialisten ist „Man muss zum Experten für seine eigene Krankheit werden“. Das gilt übrigens sicherlich für viele andere Krankheiten auch.
Das Problem ist nur: Wie soll ich, wenn es mir selber so schlecht geht, mich auch noch eigenständig schlau machen? und: Woher oder besser von wem bekomme ich die richtigen Informationen?

Ausführlichere Informationen bekommt ihr unter anderem auf der Website der Klinik der Schmerzklinik Kiel. Die Site ist wirklich extrem gut aufgestellt. Man kann Kontakt zu den Ärzten dort aufnehmen, es gibt z.B. wöchentliche LiveChats dafür. Auch toll hilfreich und informativ und tröstlich sind die Foren dort zu zahlreichen Themen rund um Kopfschmerzen und Migräne. Das besondere ist, dass die Foren von Mitarbeitern der Klinik betreut werden, die selber betroffen sind. Dadurch haben die Foren inhaltlich eine tolle Qualität und sind frei von obskuren Heilungsversprechen.

Ich habe noch keine Spezialisten in meiner Nähe (und ich wohne in einer Großstadt) gefunden, die ein ähnlich fundiertes Wissen haben. Also ist das immer meine erste Quelle.

Das ist also mein Wort zum Sonntag: Sucht Euch einen Arzt mit dem ihr reden könnt, der euch ernst nimmt, sich auch mal Zeit nimmt und für Vorschläge und Ideen von Euch offen ist.
Die Fachrichtung ist dabei zweitrangig.
Und dann so schwierig es auch zu Beginn scheinen mag, macht euch einen Plan und gebt die Marschrichtung selber vor. Tretet für Eure Vorstellung ein. Schreibt euch vorher auf, was ihr erreichen wollt.

Natürlich braucht ihr die ärztliche Meinung und Beratung, davon will ich auf gar keinen Fall abraten! Wenn euer Arzt Vorschläge oder Bedenken hat, solltet ihr das Ernst nehmen, gar keine Frage. Ich halte es nur für wichtig, dass die Behandlung das Ergebnis eines Gespräches ist, das ihr deutlich mitgestaltet habt.
Schon nach kurzer Zeit könnt ihr euch einen guten Wissenstand für das Thema Kopfschmerzen und Migräne erarbeiten. Darüber hinaus kennt sich niemand mit eurem Befinden so gut aus, wie ihr selber. Daher sollten eure Wünsche zählen!